»Niemand hat uns gefragt«

Baulöcher vor dem Haus und Bedauern im Herzen

Audiobeitrag von Witness Radio und südnordfunk Team

03.08.2024
Teil des Dossiers Klimakrise in der Pipeline

Tausende von Menschen sind in Uganda von dem Projekt der Ostafrikanischen Rohölpipeline (EACOP) betroffen. Dieses erstreckt sich von den Ölfördertürmen am Albertsee über eine geplante Raffinerie und eine Pipeline über 1443 Kilometer bis hin zur Küste in Tansania.

Die ugandische Regierung sieht in der EACOP ein vielversprechendes Vorhaben für die Entwicklung des Landes. Diejenigen, die das Projekt und seine Folgen für die ugandische Bevölkerung kritisieren, bezeichnet die Regierung häufig als Agent*innen des Imperialismus. Doch welche Auswirkungen hat die Pipeline tatsächlich für die Menschen, auf deren Land sie gebaut werden soll? Witness Radio Uganda sprach mit Anwohner*innen in Kyotera und Lwengo, zwei der insgesamt zehn von dem Pipelinebau betroffenen Bezirken in Süduganda. Die Menschen erzählen, wie sich das Projekt auf ihr Leben bisher ausgewirkt hat – lange bevor der Bau vollendet ist. Produziert wurde diese Reportage in der Medienpartnerschaft von Witness Radio Uganda und südnordfunk.


Skript zum Audiobeitrag


Erstausstrahlung am 6. August 2024 im südnordfunk #123 bei Radio Dreyeckland

Werbevideo von TotalEnergies: Das Unternehmen plant, den Zugang zu Energie zu fördern. Nahezu drei Millionen Ausbildungsstunden werden für die Einwohner*innen bereitgestellt. Wenn die Infrastruktur für die Projekte Tilenga und EACOP gebaut wird, entstehen fast 80.000 Arbeitsplätze, und Aufträge im Wert von zwei Milliarden US Dollar wurden an lokale Unternehmen vergeben.

Sprecherin: Das französische Erdölunternehmen Total will in Uganda und Tansania eine Pipeline bauen. Die Ostafrikanische Rohölpipeline, kurz EACOP, wurde 2018 im Dorf Nanywa A im Bezirk Lwengo in Uganda erstmals vorgestellt. Damals haben Hunderte von Menschen gehofft, davon zu profitieren. Total verkündete in mehreren Treffen mit den betroffenen Gemeinden, dass das Projekt vulnerable Gruppen besser unterstützen würde.

Dorbewohner: Total rief uns oft zu ihren Treffen, und sie sagten uns, dass alle von diesem Projekt profitieren würden, aber sie würden sich insbesondere um Gruppen wie Witwen, Waisen und ältere Menschen kümmern.

Sprecherin: Das Projekt wurde als Weg zu Entwicklung und Wohlstand angepriesen. Doch mittlerweile bedauern und verfluchen viele vermeintliche Nutznießer*innen das EACOP-Projekt. In den Gebieten, wo die Pipeline gebaut werden soll, lebten viele nun ärmer und ungesünder als zuvor. Sie sagen, dass Kritiker*innen des Projekts kriminalisiert werden und ihr soziales und kulturelles Leben eingeschränkt ist.

Neun Kilometer von der Stadt Lwengo in Zentraluganda wohnt die 90-jährige Tereza Nakinta *. Sie hat Bluthochdruck. Ihrer Aussage nach geht es mit ihrer Gesundheit bergab, seitdem die Projektträger Interesse an ihrem Land bekundet haben. Davor hat sie zufrieden gelebt und das Dorfleben im Alter genossen.

Tereza Nakinta: Viele Dinge haben sich in meinem Leben verändert, denn die Pipeline führt nur drei Meter von meinem Haus entfernt durch mein Grundstück. Das hat bei mir zum Beispiel Bluthochdruck verursacht, weil ich immer daran denken muss, was als Nächstes auf mich zukommt. Das ist alles, was ich an sogenannten Vorteilen aus dem Projekt ziehe. In den letzten Jahren hatte ich gut und gesund gelebt.

Sprecherin: Um neun Uhr morgens haben meine Kollegen sie zu Hause besucht. Sie war noch drinnen, in ihrem gemauerten Vier-Zimmer-Haus, das von einem kleinen Hof mit zwei Kühen und Ziegen umgeben ist. Neben ihrem Haus, auf demselben Stück Land, stehtdas Haus ihres Sohnes. Wegen ihrer Krankheit konnte die alte Witwe nicht so viel sprechen, ihr Sohn unterstützte sie beim Gespräch. Die Ostafrikanische Rohölpipeline soll mitten durch ihr Grundstück verlaufen. Schon jetzt haben die Bauarbeiten begonnen, Löcher wurden in die Erde gegraben und ein rotes Band markiert die Baustelle.

Kassimu, Sohn von Theresa Nakinta: Die Pipeline ist nur drei Meter von Mamas Haus entfernt, und das Grundstück geht auf der anderen Seite weiter. Die Pipeline wird durch das Grundstück verlaufen, und sie wird nirgendwo ihre Hausarbeit erledigen können. Es scheint, als ob sie in einer Zelle eingesperrt wäre.

Sprecherin: Frau Nakinta macht sich Sorgen, dass ihr Haus während der Bauarbeiten mit den schweren Lastwagen und Maschinen beschädigt werden könnte und ist gestresst wegen der geringen Entschädigung, die sie erhalten hat. All das hat dazu beigetragen, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert hat. So muss ihre Familie jeden Monat umgerechnet mehr als fünfzig Euro für ihre Medikamente bezahlen – Geld, das sie eigentlich nicht hat. Für das Land, das ihr durch das Projekt weggenommen wurde, hat sie eine Entschädigung erhalten. Das reiche aber bei weitem nicht, um ihr Leben zu verbessern, sondern wurde durch ihre Krankheit schnell aufgebraucht.

Kassimu, Sohn von Frau Nakinta: Dieses Projekt hat für mich und meine Familie nichts als Unglück gebracht. Damals wurde meine Mutter krank, und das ganze Geld, das ihr als Entschädigung gegeben wurde, wurde für Medikamente verbraucht. Sie ist nicht mehr in der Lage zu gehen, und ich muss viel Geld ausgeben, um sie zu ihrer monatlichen Medikamentengabe gegen Bluthochdruck zu bringen.

Sprecherin: Ihr Sohn fragt sich, wo seine Mutter zukünftig wohnen kann, um nicht mehr dem ständigen Stress ausgesetzt zu sein. Die Projektträger haben sich geweigert, sie umzusiedeln oder ihr ein anderes Haus zu bauen. Sie erzählt, dass Total das zuerst versprochen hätte – Neuanfang an einem Ort weit weg von der Pipeline. Doch das seien leere Versprechungen gewesen, um sie dazu zu bringen, ihr Land an das Projekt abzutreten. Mittlerweile klingt es anders:

Kassimu, Sohn von Frau Nakinta: Diese herzlosen Menschen sagen mir immer, dass es erst Risse bekommen muss oder zusammenbrechen.

Sprecherin: … bevor ein neues Haus für sie gebaut wird. Die Neunzigjährige ist nicht die Einzige im Dorf, die sich über die Auswirkungen des Projekts auf ihr Land und ihr Zuhause beklagt. Der Anwalt Brighton Aryempa berät betroffene Gemeindemitglieder und vertritt einige von ihnen vor Gericht. Während eines Videointerview mit uns sagt auch er, dass die Landvertreibung eines der größten Probleme ist.

»Die Gerichts­prozesse dauern ewig.«

Brighton Aryempa: Die Gemeinden leiden, weil sie von ihrem angestammten Land vertrieben werden. Sie werden nicht entschädigt, selbst wenn sie vor Gericht gehen. Die Gerichtsprozesse dauern ewig. Ich arbeite zum Beispiel gerade an einem Fall, der 2014 eingereicht wurde. 2014 war ich so jung, da war ich noch in der Schule! Und bis heute, zehn Jahre später, ist der Fall immer noch nicht entschieden.

Bei den Fällen geht es darum, dass man jemandem das Land weggenommen hat. Land ist in Afrika und insbesondere in Uganda sehr wichtig. Denn wenn man Land hat, kann man Schulgeld für seine Kinder bezahlen. Land bildet die Lebensgrundlage für Gemeinschaften und Familien. Und das passiert so etwas: Dass sie jemandem das Land wegnehmen und die Person nicht entschädigen. Dabei regeln Gesetze, wie die Regierung Land im öffentlichen Interesse beanspruchen kann und welche Entschädigungen sie dabei zahlen muss.

Regeln für den staatlichen Landerwerb

Sprecherin: Die Regierung darf zwar Land erwerben, dass es für öffentliche Projekte braucht. Aber es gibt genaue Regeln, wie dieser Erwerb ablaufen muss, sagt der Anwalt. Und die wurden beim EACOP-Projekt häufig nicht eingehalten. Er betont, dass es den Bewohner*innen tatsächlich zusteht, eine angemessene Entschädigung zu verlangen.

Brighton Aryempa: Manche Leute denken, dass die Entschädigung durch die Regierung nur eine großzügige Geste für sie ist, was nicht stimmt. Sie haben das Recht auf diese Entschädigung. Wir wollen, dass die Menschen das wissen, damit sie verhandeln können. So können sie bessere Entschädigungssätze bekommen und werden nicht betrogen. Dann wissen sie, wenn ihnen Land angeboten wird, sollten sie genauso viel Land bekommen wie ihnen genommen wurde.

Sprecherin: In der Nachbarregion Kyotera gibt es ähnliche Sorgen über die Ungerechtigkeiten, die das Projekt mit sich bringt. Die Bewohner*innen berichten von einem Gefühl der Ohnmacht. Ihnen sei gesagt worden, sie hätten keine andere Wahl, als ihr Land für das Projekt abzutreten und die angebotene Entschädigung zu akzeptieren. Es sei eine Regierungsinitiative, die niemand aufhalten könne. Auch die größeren Grundbesitzer*innen beschweren sich.

Sprecherin 2: In Uganda gibt es vier Arten von Landbesitz: Mailo, Grundbesitz, Pachtland und Land nach Gewohnheitsrecht. In den Gebieten von Kyotera leben die meisten der vom Projekt betroffenen Personen unter dem Mailo-Landbesitzsystem. In diesem Fall ist der oder die Grundbesitzer*in Eigentümer*in des Landes. Die Pächter*innen können das Land nutzen, besitzen es aber nicht, außer, der oder die Grundbesitzende verkauft ihnen einen Landtitel.

Sprecherin: Benedicto Ssekyewa besitzt Land im Dorf Lusese im Bezirk Kyotera. Das Dorf lebt vor allem von der Landwirtschaft: Während des Besuchs meiner Kollegen wachsen hier Kaffee, Mais und Bananenstauden. Ssekyewa sagt, dass sieben seiner Pächter von der Pipeline betroffen sind. Die Regierung und die Projektträger hätten ihn und andere Betroffene nicht über die umstrittenen Folgen des Projekts informiert:

Benedicto Ssekyewa: Uns fehlen vollständige Informationen und Details darüber, wie dieses Projekt durchgeführt werden soll. Dieses Projekt wurde uns vorgestellt, ohne uns angemessen aufzuklären oder zu konsultieren. Wir wurden lediglich darüber informiert, dass es sich um eine Regierungsinitiative handelt. Uns wurde nicht gesagt, wie wir von diesem Projekt profitieren würden oder wie die Regierung uns unterstützen würde. Da es sich jedoch um ein Regierungsprojekt handelt, hatten wir keine Möglichkeit, es abzulehnen, ob es uns gefällt oder nicht.

Undurchsichtige Landbewertung

Sprecherin: Als Grundbesitzer, behauptet Sssekyewa, habe er nicht wie versprochen von dem Projekt profitiert. Ihm sei völlig unklar, wie sein Land für die Entschädigungen bewertet wurde.

Benedicto Ssekyewa: Wir wurden als Eigentümer von Land nicht darüber informiert, dass wir dafür entschädigt werden (müssen). Als Dorfbewohner entgehen uns bestimmte Dinge, weil wir unwissend sind. Darüber hinaus hat die Regierung nicht klar gesagt, wie viel unser Land wert ist. Das macht uns unzufrieden, weil wir nicht den genauen Betrag kennen, den wir erhalten sollten. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zuzusehen.

Sprecherin: Niemand habe ihn zu Rate gezogen. Er selbst wohnt nicht mehr als 300 Meter von der geplanten Pipeline entfernt und befürchtet, dass noch einiges auf das Dorf zukommt:

»Ich befürchte, dass die Vibra­tionen der Bauma­schinen sein Haus beschädigen.«

Benedicto Ssekyewa: Die Pipeline wirkt sich auf die Menschen aus, die in direkter Nähe und in der Umgebung leben. Das Haus meines Sohnes liegt zum Beispiel sehr nahe an der Stelle, wo die Pipeline verlaufen wird, und ich befürchte, dass die Vibrationen der Baumaschinen sein Haus beschädigen oder sogar zerstören könnten. Viele der Häuser hier in unserer Gemeinde sind nicht so stabil und könnten erheblich beeinträchtigt werden. Die Behörden haben aber erklärt, dass diese Häuser nicht zum Projektgebiet gehören und sie deswegen nicht für den Wiederaufbau verantwortlich sind, wenn sie beschädigt werden. Auch unsere Kulturen auf den Feldern könnten unter dem Bau der Pipeline leiden. Ein weiteres Problem ist die Abgrenzung des Projektgebiet. Wir sorgen uns, dass das Projekt über die vereinbarten Grenzen hinaus in unser Land eindringen wird, wenn die Bauarbeiten weiter fortschreiten.

Sprecherin: Im selben Dorf wurde Ssalongo Kigonya Vincent eine Entschädigung versprochen, für seine beiden Grundstücke, die für den Bau der Pipeline benötigt werden. Aber er hat weniger Geld bekommen als angekündigt:

Vincent Kigonya Ssalongo: Ich wurde zum Zebra-Hotel in Masaka gerufen und dazu gebracht, auf einem mehr als dreißigseitigen Dokument für eine Menge Geld zu unterschreiben. Ich unterschrieb, dass ich 28 Millionen Uganda Schilling, fast 7.000 Euro, für zwei meiner Grundstücke bekommen würde, auf denen das Projekt durchgeführt wird. Aber zu meiner Überraschung erhielt ich statt 7.000 weniger als 1.000 Euro auf mein Konto, danach haben sie sich nicht mehr gemeldet.

Sprecherin: Wie alle anderen, die mit uns sprechen, treffen meine Kollegen den Mann bei sich zu Hause. Treffen in der Öffentlichkeit sind zu gefährlich, wenige Tage vor unserem Besuch wurden die Dorfbewohner*innen von Sicherheitskräften gewarnt, bloß nicht mit Journalist*innen zu sprechen. Auch Kigonyas Frau ist zu Hause, und einige seiner Kinder. Andere sind in der Schule. Obwohl er eine niedrige Entschädigung bekommen hat, wurden ihm seine Grundstücke weggenommen. Noch steht sein Haus auf dem Land, das jetzt nicht mehr seins ist. Er hat kein Geld für ein neues. Aber dort, wo einst seine Felder waren, laufen jetzt Bauarbeitende herum.

Vincent Kigonya Ssalongo: Mir wurde gesagt, dass niemand die Regierung davon abhalten kann, ein Pipeline-Projekt zu realisieren. Sie sagten, sie könnten es tun, wo immer sie wollten. Sie zwangen uns, Dokumente in einer Sprache zu unterschreiben, die wir nicht beherrschen. Sie waren in Englisch, einige von uns sind ungebildet, doch niemand konnte für uns übersetzen. So hatten wir keine andere Wahl, als zu unterschreiben. Wir haben nicht zugestimmt, sondern wurden gezwungen, unser Land aufzugeben. Sie sagten mir, ich solle das Dokument unterschreiben und versprachen mir, dass sie das Geld auf mein Konto überweisen würden.

Keine faire Entschädigung

Sprecherin: Der Anwalt Brighton Aryampa sagt: Die Entschädigungssummen sind häufig zu gering. Die Regierungsbehörden orientieren sich an einem alten Landwert, zahlen das Geld aber erst viel später aus. Zu dem Zeitpunkt wäre das Land schon sehr viel mehr wert:

Brighton Aryempa: Sie legen Stichtage fest, ab denen man das Land nicht mehr nutzen darf, während sie an der Entschädigung arbeiten. Das hat zur Folge, dass eine Person zum Beispiel erst 2020 entschädigt wurde, aber mit dem Wert des Landes von 2015. Dabei steigt der Wert von Land jeden Tag.

Sprecherin: Für den Dorfbewohner Kigonya gab es neben der Entschädigung noch eine weitere Herausforderung. Auf einem seiner Grundstücke waren seine verstorbenen Zwillingskinder begraben. Die musste er ausgraben und verlegen. Total hat ihm dabei geholfen. Das Unternehmen hat, so berichtet Kigonya, außerdem versprochen, bei den feierlichen Zwillingsritualen mitzuhelfen, nachdem die Gräber verlegt wurden.

Sprecherin 2: In der Kultur des Buganda-Königreichs, zu dem Kigonya gehört, müssen Zwillingsrituale anlässlich der Geburt von Zwillingen durchgeführt werden. In dieser Kultur gelten Zwillinge als heilig und haben eine besondere spirituelle Bedeutung. Wenn Zwillinge sterben, werden ihre Gräber in der Regel mit Ehrfurcht behandelt, und die Verlegung oder Störung dieser Gräber kann als Störung der spirituellen Harmonie und der traditionellen Praktiken angesehen werden. Um diese Harmonie wiederherzustellen und die Geister der Zwillinge zu ehren, führen die Baganda besondere Rituale durch, nachdem die Gräber exhumiert oder verlegt wurden.

Sprecherin: Aber bis heute wurden diese Rituale für die Zwillinge von Kigonya nicht durchgeführt. Die Projektträger haben ihr Versprechen nicht erfüllt, und alleine hat der Vater dafür nicht die Mittel. Laut seiner Überzeugung kann das für seine Familie fatal sein, und etwa zu Armut und zu körperlichen Verbrennungen führen.

Vincent Kigonya Ssalongo: In meiner Familie sind die Zwillinge sehr gefährlich, wenn man ihre Rituale nicht durchführt. EACOP hat mir geholfen, ihre sterblichen Überreste auszugraben und zu verlegen. Aber das Ritual für ihre Beisetzung wurden nicht durchgeführt. Dabei muss ich es unbedingt durchführen und habe sie gebeten, mir dabei zu helfen. Wir hatten zuvor im Vertrauen vereinbart, dass sie mir bei den Ritualen für die Zwillinge helfen würden, wenn ich ihre sterblichen Überreste umbetten würde, aber sie haben die Vereinbarung ignoriert.

Sprecherin: Nicht weit von Kigonyas Haus entfernt wohnt Bwowe Ismail im Dorf Bethlehem. Der Mann mit rotem Hemd hinkt, sein linkes Bein ist gelähmt. Er ist Vater von 20 Kindern. Seine Familie lebe in Armut, seitdem die Projektträger sein gesamtes Land an sich gerissen haben, ohne ihn zu entschädigen, erzählt er:

Ismail Bwowe: Sie sagten mir, das Land gehöre nicht mehr mir und ich sei nicht mehr dafür verantwortlich, obwohl sie mir nichts bezahlt hatten. Sie sagten, mein Land gehöre jetzt ihnen, egal ob ich nun das bisschen Geld akzeptiere oder ob ich es ablehne und ihnen das Land einfach so überlasse.

Sprecherin: Ismail Bwowe hatte eine gerechte Entschädigung gefordert. Im Gegenzug wurde er von den staatlichen Behörden eingeschüchtert, verhaftet und wegen falscher Angaben angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, das Regierungsprojekt zu sabotieren. Kriminalisierung ist in Uganda eine der Taktiken, die von multinationalen Unternehmen und der Regierung verwendet wird, um Land- und Umweltschützer*innen sowie Projektkritiker*innen zum Schweigen zu bringen.

Herr Bwowe wurde einmal verhaftet, angeblich weil er einen reichen Mann bestohlen hätte. Total hat ihm daraufhin angeboten, ihn mit Anwaltskosten und Vertretung vor Gericht zu unterstützen, wenn er sich mit ihnen an einen Tisch setzen und die Entschädigung akzeptieren würde. Er lehnte ab. Eines Tages standen Regierungsvertreter im Haus des Dorfverstehers und warteten auf ihn:

Ismail Bwowe: Dort waren Soldaten und wichtige Männer, die anfingen, mich einzuschüchtern. Sie haben mich zuerst gefragt, ob ich Herr Bwowe sei, und ich bejahte. Ich fragte sie, woher sie kämen, und sie antworteten, dass sie vom Präsidenten kämen und die oberste Autorität seien. Sie fragten mich, warum ich das Dokument nicht unterschrieben habe, und ich erklärte ihnen, was vorgefallen war.

»Dort waren Soldaten und wichtige Männer, die anfingen, mich einzu­schüchtern.«

Sie sagten mir, wenn ich kein Geld wolle, sei das in Ordnung. Es stehe mir frei, die Regierung zu verklagen, aber ich müsse die Tatsache akzeptieren, dass mein Land weggenommen wird. Ich war an diesem Tag so verängstigt, dass ich einige Tage lang nicht mehr in meinem Haus schlafen wollte.

Sprecherin: Er erzählt auch, dass er zweimal wegen erfundener Anschuldigungen verhaftet wurde und andauernd Schmerzen habe, seit er im Gefängnis war. Das EACOP-Projekt wird zwar von der Regierung gepriesen, weil es für Entwicklung in den Dörfern sorge und die Wirtschaft des Landes ankurbele. Aber in Wirklichkeit können die betroffenen Gemeinden nicht mitreden und leiden unter dem Projekt:

Ismail Bwowe: Ich habe meine Arbeit in Kampala verloren und musste viel Geld für den Transport zu meinem Dorf ausgeben. Dort fuhr ich immer wieder hin, weil sie mir versprochen hatten, dass sie für mein Land bezahlen würden. Sie nahmen mir mein Land weg. Anfangs hatte ich drei Frauen, die alle Kinder hatten, aber die Frauen wurden mir weggenommen. Diese Firma hat mich so sehr unterdrückt. Ich habe dadurch viel verloren, und mein Herz ist betrübt.

Sprecherin: Die Menschen im Dorf haben eine einfache Forderung an die Regierung: Sie wollen bei dem Projekt mitreden können – so wie es tatsächlich auch ihr Recht ist, und dass es ihnen nutzt.

Ismail Bwowe: Ich möchte, dass die Regierung zu mir vor Ort kommt, um zu helfen. Sie sollte mein Eigentum bewerten und mich entschädigen. Wenn sie mein Land wollen, sollten wir gemeinsam diskutieren und uns auf die Summe einigen, die ich fordere, weil es mein Eigentum ist. Wenn wir uns einigen, kann ich ihnen mein Land verkaufen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt bin ich nicht zufrieden

Sprecherin: Viele der Bewohner*innen sind unzufrieden mit dem Projekt. Aber sie trauen sich nicht, sich zu beschweren, weil es ein Regierungsprojekt ist und sie mitbekommen, wie ihre Nachbar*innen eingeschüchtert werden. Das bestätigt auch Segawa Abdallah. Er ist Dorfvorsteher im Dorf Nanywa A. In ganz Uganda sind nach Informationen der Organisation NAPE (National Association of Professional Environmentalists) gut 170 Dörfer von der Pipeline betroffen. In Abdallahs Dorf sind es 38 Familien. Auch er selbst ist mit dem Projekt unzufrieden.

Abdallah Segawa: Ich gehöre auch zu den Betroffenen des EACOP-Projekts. Die Art und Weise, wie sie mein Land bewertet haben, war ungerecht, denn sie haben mir nur wenig Geld für das ganze Land und die Ernten gegeben. Ich habe das Bewertungsverfahren überhaupt nicht verstanden.

Sprecherin: Meine Kollegen treffen ihn im Zentrum des Dorfes. Er führt uns herum, es gibt ein paar Kioske und einfache Bars, wo sich die Bewohner*innen nach der Feldarbeit treffen können. Angekommen in seinem Haus sagt er: Es sei höchste Zeit, dass die Verantwortlichen etwas unternehmen, damit die Menschen in seinem Dorf weiterhin gut leben könnten:

Abdallah Segawa: Ich bete dafür, dass den Anwohner*innen bei all ihren dringenden Problemen geholfen wird. Zum Beispiel wurde die Pipeline direkt neben dem Haus einer alten Frau gebaut. Sie sollte ein anderes Haus bekommen, das weit weg von dieser Pipeline gebaut würde. Diejenigen, deren Land unterbewertet wurde, sollten angemessen bewertet und entschädigt werden. Und diejenigen, die um Nahrung bitten, sollten diese erhalten, denn alle Menschen haben ein Recht auf Nahrung.

Sprecherin: Durch das Dorf Nanywa soll bald Öl fließen, die Erde wird schon aufgebuddelt. Ob die Bewohner*innen bis dahin einen neuen Ort haben, an dem sie zusammenkommen und ihrer Arbeit nachgehen können? Dieser Ort scheint noch weit entfernt - bis dahin müssen noch viele Verhandlungen geführt werden, und Total Energies und die Regierung müssen denjenigen, die direkt neben der geplanten Pipeline leben, endlich zuhören.

Witness Radio Witness Radio ist eine Menschenrechts­organisation in Uganda, die Landnahmen und Vertreibungen dokumentiert und Betroffene durch Rechtsbeistand unterstützt. In Zusammenarbeit mit dem südnordfunk Team


Die Sendung zum Nachhören beim südnordfunk.

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