»Mein Land war mein wertvollstes Gut«

Frauen als Landnutzerinnen ohne Landbesitztitel wehren sich gegen den Bau einer Ölpipeline

Audiobeitrag von südnordfunk Team und Witness Radio

21.08.2024
Teil des Dossiers Klimakrise in der Pipeline

Die Enteignung von Land für ein fossiles Großprojekt hat in Uganda zu Landnahme, Vertreibung und Perspektivlosigkeit geführt. Frauen und junge Menschen sind in besonderem Maße betroffen. Doch sie setzten sich zur Wehr und kämpfen für ihre Rechte. Nicht zufällig erheben ugandische Klimaaktivist*innen weltweit ihre Stimme und weisen auf Gender-Aspekte der EACOP hin, der East African Crude Oil Pipeline, mit der Uganda gemeinsam mit dem französischen Konzern TotalEnergies Erdöl fördern und auf den Weltmarkt exportieren will. Ein Feature von südnordfunk und Witness Radio Uganda.


Skript zum Audiobeitrag

Erstausstrahlung am 6. August 2024 im südnordfunk #123 bei Radio Dreyeckland

 

Pitiyedi Kagira: Frauen sind in meinem Dorf selten Landbesitzerinnen. Das bedeutet, dass ich zwar Landwirtschaft betrieben habe, aber keine Landbesitzerin war. Ich war Landnutzerin, ein Teil des Landes, das ich bewirtschaftete, gehörte der Familie meines Mannes. Außerdem hatte ich Land im Dorf Kasenyi gepachtet, auf dem ich Getreide angebaut und Bäume zur Holzgewinnung gepflanzt habe. Ich habe die Bäume für kommerzielle Zwecke gepflanzt.

Sprecherin: Pitiyedi Kagira * ist eine von dem Bau der Ostafrikanischen Rohölpipeline betroffene Landwirtin in Uganda. Sie teilt ihre Erfahrung mit einer Gemeindearbeiterin. Im Interview sagt diese:

Diana Nabiruma: Als ich von der EACOP hörte, war ich besorgt, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich gelernt, dass es keinen ökologisch nachhaltigen Weg gibt, Öl und Gas zu fördern. Als ich also erfuhr, dass eine Pipeline gebaut werden sollte, war ich besorgt über die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschen. In Uganda haben wir bereits erlebt, dass Menschen für Ölprojekte vertrieben wurden. Wir haben gesehen, dass ihre Rechte missbraucht wurden. Deswegen war ich besorgt, aufgrund der Erfahrungen mit Ölprojekten in anderen Ländern wie Nigeria, aber auch mit der Vertreibung von Ortsgemeinden für Ölprojekte in Uganda.

Sprecherin: Diana Nabiruma, Pressesprecherin und Gemeindearbeiterin von AFIEGO, dem Africa Institute for Energy Governance, äußert sich inzwischen regelmäßig zu den Gefahren des Baus der Ostafrikanischen Ölpipeline. Als wir mit ihr sprachen, kam sie gerade von einem Besuch in den Dörfern zurück, deren Bewohner*innen dem Bau der Pipeline weichen müssen. Auch Nakjanscha Kato, eine 75-jährige Witwe, hatte mit ihr gesprochen.

Nakjanscha Kato: Es gibt viele Dinge, die sich in meinem Leben verändert haben. Zum Beispiel führt die Pipeline nur drei Meter von meinem Haus entfernt durch mein Grundstück. Das hat bei mir zu Bluthochdruck geführt, weil ich immer daran denken musste, was als Nächstes auf mich zukommt.

Sprecherin: Frau Kato lebt in dem Dorf Lusese, seit 1969 lebt sie dort von ihrem Land.

Diana Nabiruma: Letzten Monat hat AFIEGO mit Berater*innen zusammengearbeitet, um Menschen zu befragen, deren Land für die EACOP und das vorgelagerte Projekt Tilenga, das Ölförderfeld, von TotalEnergies enteignet wurde. Eines der vier wichtigsten Themen der Gemeinschaften, die wir befragt haben und deren Geschichten wir in einer Broschüre veröffentlicht haben, war, dass ihnen ihr Land genommen wurde. Sie waren nicht in der Lage, all das Land zu ersetzen, das sie verloren hatten, und konnten deshalb ihre Familien nicht ernähren. Eine Frau nach der anderen erzählte uns, dass sie unter Stress und Ängsten leidet und sich oft Sorgen macht, woher sie das Essen für ihre Kinder nehmen sollen. Das ist sehr schmerzhaft, aber für Frauen, die von EACOP und anderen Ölprojekten betroffen sind, ist das die Realität.

Sprecherin: Pitiyedi Kagira ist 47 Jahre alt und lebt im Distrikt Buliisa – in Westuganda nicht weit weg vom Fund der Ölreserven, hier wird nach Öl gebohrt.

»Ich wurde nicht entschädigt.«

Pitiyedi Kagira: Mein Mann erhielt einen dringenden Telefonanruf vom Vorsitzenden des Dorfes, der sagte zu meinem Mann: »Dein Land wird für das Tilenga-Ölprojekt genommen.« Das Land wurde im Rahmen des Umsiedlungsaktionsplan 3A erworben.* Ich nutzte einen Teil dieses 2,5 Hektar großen Landes für den Anbau von Feldfrüchten. Wir stellten fest, dass Atacama, der Unterauftragnehmer von Total, auf unserem Land Pflöcke gesetzt hatte. Atacama erklärte uns, dass Total einen 30 Meter langen Korridor für eine Pipeline des Tilenga-Ölprojekts benötige. Ich wurde bis 2023 nicht entschädigt. Die Entschädigung, die ich für meine Ernte erhielt, war gering. Da ich Landnutzerin und nicht Landeigentümerin war, wurde ich nicht für das Land entschädigt.

Sprecherin: Nicht alle Frauen, denen es so erging wie Pitiyedi Kagira, haben den Mut, dies zu erzählen. Doch was Frau Kagira erzählt, ist kein Einzelfall. Viele Frauen haben durch den Bau der Pipeline und der Infrastruktur zur Ölforderung ihr Land abgeben müssen. Die Regierung Ugandas hat laut Verfassung das Recht, nach entsprechenden Kompensationsvereinbarungen ihre Bürger*innen zu enteignen, wenn große Infrastrukturprojekte von übergeordneter Bedeutung für das allgemeine Wohl der Gesellschaft Anspruch auf Land geltend machen. Die Infrastruktur für die Ölförderung – dazu gehört eine 1443 Kilometer lange Pipeline – sind ein solcher Fall. Die Begründung der Regierung: Das Land brauche Energiesicherheit. Diana Nabiruma meint dazu:

Diana Nabiruma: Dann wurde argumentiert, dass Uganda die Pipeline brauche, um seine Energieversorgung zu sichern, und das leuchtete mir nicht ein, denn die Pipeline ist eine Export-Pipeline. Das bedeutet, dass das Öl in Uganda gefördert und über die EACOP zu den Exportmärkten transportiert wird, sodass dieses Argument für mich nicht stichhaltig ist.

Sprecherin: Die Klimaaktivistin sieht also einen Widerspruch in der vorgeschobenen Notwendigkeit der Ölförderung für die ugandische Bevölkerung und der tatsächlichen Lebensgrundlage der Ugander*innen - nämlich ihrem Land:

Diana Nabiruma: Selbst, wenn ugandisches Öl und Gas den Energiebedarf der Ugander*innen decken würden, sollten die Ugander*innen bitte nicht dazu gedrängt werden, sich selbst zu überfordern, sich selbst in den Rücken zu fallen. Und warum? Weil in Uganda die Mehrheit der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist. Außerdem sind Millionen von Menschen in der Fischerei, der Forstwirtschaft und anderen Sektoren beschäftigt, die eine gute und stabile Umwelt benötigen, damit sie produktiv sein können. Das bedeutet, dass Ugander*innen zu den Menschen gehören sollten, die sich für Klimaschutzmaßnahmen einsetzen. Wir sollten nicht darauf drängen, Energieressourcen zu nutzen, die unserer Umwelt und unserem Klima schaden.

Sprecherin: Die Pipeline soll gebaut werden, um Erdöl zu exportieren. Die ugandische Regierung verspricht sich davon Einnahmen, die sie auch dafür verwenden möchte, eine Energiewende einzuleiten. Denn Energie ist in Uganda sehr knapp, der Ausbau erneuerbarer Energiequellen dringend nötig. Viele Klimaaktivist*innen halten den Bau der Pipeline für keine gute Idee. Eine von ihnen ist Hilda Nakabuye. Das Land ist vom Klimawandel stark betroffen, und die Pipeline wird die Lager der Frauen auf dem Lande eher verschlimmern.

Wie sind Frauen von der Pipeline betroffen?

Hilda Nakabuye: Untersuchungen der Vereinten Nationen zeigen, dass 80 Prozent der vom Klimawandel betroffenen Menschen Frauen und Kinder sind (…). Wir sollten anerkennen, dass der Klimawandel als die größte Herausforderung, vor der die Menschheit derzeit steht, die Frauen am meisten betrifft, und wir müssen Frauen in alle Entscheidungsgremien einbeziehen, denn sie können aus ihren Erfahrungen schöpfen und Lösungen anbieten, die uns bei der Bekämpfung der Klimakrise helfen.

Sprecherin: Tatsächlich gehört Uganda zu den besonders hart vom Klimawandel betroffenen Ländern in Ostafrika. Eine Alternative zur Landwirtschaft gibt es für die allermeisten Menschen nicht, für Frauen noch weniger als für Männer. Umso bedeutender ist es, dass die Menschen ihr Land schonend bewirtschaften und der Zugang zu Land, von dem sie leben, gesichert ist. Der Pipelinebau bewirkt das Gegenteil: Diana Nabiruma:

Diana Nabiruma: In Uganda wurden bisher über 3.000 Familien mit über 20.000 Menschen vertrieben (Stand April 2025). Von der Vertreibung sind Frauen und andere vulnerable Gruppen, einschließlich der Jugend, unverhältnismäßig stärker betroffen als Männer und Frauen. Das liegt daran, dass Frauen in Uganda oft die Landnutzerinnen sind. Sie sind vielleicht nicht die Eigentümerinnen des Landes, aber sie gehören zu den größten Landnutzer*innen.

Sprecherin: Landnutzung und die Ernährung hängen unmittelbar zusammen, und Frauen spielen hier eine zentrale Rolle:  

Diana Nabiruma: In unserer Gesellschaft in Uganda sind die Frauen für die Ernährung der Familie verantwortlich. Sie sind auch für andere häusliche Bedürfnisse zuständig. Als nun für das EACOP Land erworben wurde, haben wir gesehen, dass die Familien, die von dem Projekt betroffen waren oder die für das Projekt vertrieben wurden, nur eine sehr geringe Entschädigung erhalten haben, sagen sie. Das bedeutet, dass die Frauen weniger Land zur Verfügung haben, um Lebensmittel anzubauen um damit ihre Familien zu ernähren.

Sprecherin: Während des Landerwerbs durch die Projektbetreiber von EACOP, der ostafrikanischen Rohölpileline, wurde den Betroffenen vielfach Unterstützung zugesagt, doch so manche Zusage erwies sich als falsches Versprechen:

Kassimu: Sie sagten uns, dass sie uns Kaffee-Setzlinge zum Pflanzen geben würden, aber bis jetzt haben sie sie uns nicht gegeben. Sie versprachen uns Bohnen, doch wir haben keine bekommen, sogar Lebensmittel wurden uns versprochen, aber bis jetzt haben wir keine erhalten.

Sprecherin: Das berichtet Annet Nakinta dem Witness Radio Uganda. Annet Nakinta ist neunzig Jahre alt. Sie wohnt in Nanywa A im Bezirk Lwengo. Um ihre Sorge zu teilen, sprach für sie ihr Sohn Kassimu, als sie selber nicht mehr sprechen konnte.

Annet Nakinta: Ich bekomme keine Lebensmittel, so, wie sie mir es zugesagt hatten. Aber manche Menschen bekommen etwas zu essen. Wenn wir fragen, warum, sagen sie uns, wir sollen warten, sie werden uns etwas geben.

»Ich bekomme keine Lebensmittel, so, wie sie mir es zugesagt hatten.«

Sprecherin: Mit dem Bau der Pipeline sind viele Menschen mehr als ohnehin mit der Frage konfrontiert, wie sie sich ernähren können. Die in Uganda grassierende Ernährungs­unsicherheit ist ein Problem, das nicht nur Frauen betrifft, sondern alle. Dem vom Bau der Pipeline betroffenen Personen wurde versprochen, sie mit Lebensmitteln zu unterstützen. Das war für die Bewohner*innen zunächst eine Erleichterung. Annet Nakinta hat keine Unterstützung erhalten. Und auch Kasigala Abbas aus dem Dorf Nanywa fühlt sich ungerecht behandelt:

Kasigala Abbas: Was mich stört, ist, dass meine Nachbarn Essen bekommen, ich aber nicht, obwohl wir mit Total eine Vereinbarung getroffen haben, dass sie uns unterstützen und uns auch Nahrungsmittel geben würden.

Sprecherin: Vor allem für die Frauen als Landnutzer*innen ohne eine Landbesitzurkunde, stellen sich weitere Probleme. Subunternehmen von Total Energies erstellten Wertgutachten, darin wird der Wert des Landes oft nur auf einen Bruchteil des wahren Wertes veranschlagt. Landbesitzer*innen wie Rachel Tagate werden unter Druck gesetzt, ihr Land weit unter Wert zu verkaufen:

Rachel Tagate: Mein Land war mein wertvollstes Gut. Im Jahr 2018 kamen jedoch Leute auf mein Land, die sich als Mitarbeiter von NewPlan ausgaben. NewPlan ist ein Unterauftragnehmer von Total, das im Namen des Unternehmens Land für die EACOP erwirbt. Die Leute haben mein Land vermessen und mir gesagt, dass es für das EACOP Projekt genutzt werden soll. Sie fragten, wie ich das Land erworben habe, und ich sagte ihnen, dass ich es geerbt habe.

 

Um das Erbe geprellt

Sprecherin: Rachel Tagate ist 29 Jahre alt, als sie sich über den Prozess der Landenteignung beschwert.

Rachel Tagate: Zwei Jahren später haben sie mir ein Wertgutachten gebrachten, aus dem hervorging, dass ich eine halbe Million Uganda-Schilling, knapp 130 US Dollar für knapp ein Zehntel Hektar Land erhalten sollte. Ich verstand diese Angaben nicht, weil wir unser Land in Misiri messen, also in Parzellen. Mein betroffenes Land ist eine Parzelle, deren Marktwert bei vier Millionen Uganda-Schilling liegt, gut 1.000 US Dollar. Mein Land liegt in der Nähe einer Hauptstraße, was es noch wertvoller macht. Ich wurde auch darüber informiert, dass ich Geld für meine betroffenen Kulturen erhalten würde, die sich auf dem Land befanden. Einige meiner Kulturen waren aber in dem Wertgutachten nicht aufgeführt. Da ich mit der Entschädigung, die ich erhalten sollte, nicht zufrieden war, habe ich Widerspruch eingelegt. Später wurde ich jedoch aufgefordert, den Widerspruch zurückzuziehen, mit der Begründung, dass meine Probleme gelöst worden seien, was jedoch nicht der Fall war. Ich weigerte mich, den Widerspruch zurückzunehmen. Im Dezember 2022 akzeptierte ich es jedoch, eine Entschädigung zu erhalten, und unterschrieb dafür, da ich eine Menge Schulden hatte. Mein Widerspruch war noch nicht bearbeitet, aber ich war verzweifelt.

Sprecherin: Der Fall von Rachel Tagate ist kein Einzelfall. Der Wert der auf den Grundstücken angebauten Pflanzen wird oft falsch erfasst oder komplett unterschlagen. So erging es auch Leunia Okella:

»Mein Eigentum wurde in meiner Abwesen­heit bewertet.«

Leunia Okella: Im Jahr 2018 kamen jedoch die Subunternehmer von Total Energies für das Tilenga-Ölprojekt in mein Dorf in Buliisa. Das Dorf heißt Avogera. Wir wurden darüber informiert, dass unser Land im Rahmen des Umsiedlungsaktionsplans 3A erworben werden soll.

Der Wert meines Eigentums wurde in meiner Abwesenheit bewertet. Als die Subunternehmer des Tilenga-Projekts mir 2019 das Wertgutachten meines betroffenen Grundstücks brachten, war ich schockiert! Meine Hauptkulturen, insbesondere Maniok (reife und junge Pflanzen), Kuhbohnen und Bäume, wurden nicht in die Bewertung einbezogen. Nur meine Moringabäume, Bananen- und Ananas-Pflanzen, die mit Maniok zusammen auf einem Feld wuchsen, wurden erfasst. Ich weigerte mich zu unterschreiben. Stattdessen legte ich Widerspruch ein.

Sprecherin: Viele Frauen, vor allem die älteren, wurden allerdings nicht über ihre Rechte aufgeklärt. Organisationen wie das Witness Radio Uganda oder AFIEGO informieren Personen wie Rachel Tagate über ihre Rechte, damit sie für ihre Rechte selbst einstehen können.

Rachel Tagate: Im Jahr 2023 brachten mir Mitarbeiter*innen der EACOP-Gesellschaft eine Zustimmungserklärung zur Unterschrift, aber ich weigerte mich, da mein Widerspruch noch nicht bearbeitet worden war. Ich habe sie aufgefordert, mir eindeutige Pläne zu zeigen, aus denen hervorging, wo die Ölpipeline durch mein Land verlaufen soll, aber das taten sie nicht. Als ich mich weigerte, das Wertgutachten zu unterschreiben, trafen sich die Mitarbeiter*innen der EACOP Company mit dem Vorsitzenden des Gemeinderats unseres Dorfes, der das Wertgutachten statt meiner unterzeichnete. Bis heute habe ich nicht zugestimmt, dass mein Land für das EACOP-Projekt in Anspruch genommen werden darf. Dieses Projekt hat mein Leben verändert.

Sprecherin: Die Betreiber der Pipeline mussten eine Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudie vorlegen, bevor der Bau der Pipeline genehmigt wurde. Auch menschenrechtliche Fragen spielen da eine Rolle. Doch wurden auch die spezifischen Gender Aspekte berücksichtig? Dazu Diana Nabiruma von AFIEGO:

Diana Nabiruma: Mir ist nicht bekannt, ob eine Gender-Verträglichkeitsstudie - durchgeführt wurde. Ich weiß, dass eine Menschenrechts-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde. Ich weiß nicht, ob die online verfügbar ist, und: Diese Bewertung wurde lange nach Beginn des EACOP-Projekts durchgeführt. Das bedeutet, dass die Auswirkungen, die hätten vermieden oder gemildert werden können, nicht vermieden oder gemildert wurden, bevor diese Prüfung durchgeführt wurde. Und ich weiß nicht, ob das auch eine Gender-Analyse war.

Sprecherin: Auch Gemeinde-Sozialarbeiter*innen berichten, dass der Prozess der Landbewertung, gerade für Frauen, nicht gerecht verlief. Joan Mirembe ist Gemeindebeobachterin im Distrikt Lwengo im Süden Uganda. Sie verfolgt die Belange der EACOP in ihrem Dorf und arbeitet inzwischen mit Projektbetroffenen. Sie sagt:

Joan Mirembe: Die Menschen sahen sich vor allem bei der Bewertung einiger Güter und Grundstücke vor Herausforderungen gestellt. Denn einige Güter wurden im Rahmen des Projekts weniger berücksichtigt, wie z. B. Schreine als kulturelles Erbe, einheimische Pflanzen und Kräuter und andere Dinge, die von den Projekt-Durchführenden nicht berücksichtigt wurden.

 

Beschwerde und Widerspruchsrechte

Sprecherin: Offiziell gelten für das Pipeline-Projekt die so genannten IFC Leistungsstandards. Diese stellen einen Leitfaden zur Identifizierung von Risiken und Auswirkungen dar. Diese Standards sollen dazu beitragen, soziale und ökologische Folgen und Risiken durch eine nachhaltige Geschäftstätigkeit zu vermeiden, abzuschwächen und zu bewältigen. Die Einbeziehung von betroffenen Personen und Kommunen in diesen Prozess und die Offenlegungspflichten der Unternehmen, die Kredite erhalten, werden ausdrücklich erwähnt.  

Auch haben sich die EACOP-Projektentwickler verpflichtet, weitere internationale Standards einzuhalten - so die ECQUATOR Prinzipien, die Partizipation in dem Bewertungsprozess fordern, auch die Teilnahme der Frauen. Zahlreiche NGOs berichten: Bei der Umsetzung der EACOP und der vorgelagerten Ölprojekte haben die Entwickler die Standards jedoch nicht eingehalten. Nakjanscha Kato, erzählt:

Nakjanscha Kato: Wir wurden nicht konsultiert. Sie kamen mit Gewalt, um uns zu sagen, dass sie das Land nehmen werden. Ob man nun zustimmt oder nicht - sie müssten es nehmen. Wir konnten nichts tun, denn sie tun so, als gehöre ihnen die Welt.

Sprecherin: Das sagt Nakjanscha Kato, als wir sie fragten: Waren Sie in der Lage, Entscheidungen auf einer fundierten Grundlage zu treffen? Haben Sie alle Informationen erhalten, die Sie für eine gute Entscheidung benötigen? Was hat damals gefehlt?

Sprecherin: Joan Mirembe sensibilisiert Bewohner*innen der betroffenen Gemeinden und klärt sie über ihre Rechte auf. Zum Beispiel darüber, dass sie sich an einen Beschwerdeausschuss wenden können, wenn sie mit der Bewertung ihres Eigentums nicht einverstanden sind. Die Bewertung geht jeder Entschädigungsleistung voraus.

Joan Mirembe: Die Beschwerdeausschüsse, die eingerichtet worden waren, um die Anliegen der vom Projekt betroffenen Personen anzuhören, haben nicht genug getan, um sich mit ihnen zu befassen. Da sie sich nicht um die Fälle kümmern konnten, über die berichtet wurde. Eine Betroffene hatte darum gebeten, dass ihr Haus an einem anderen Ort gebaut werden sollte, anstatt eine Entschädigung zu erhalten. Aber was geschah in der Anfangsphase des Baus ihres Ersatzhauses? Sie sagte ihnen, dass das Haus, das gebaut wird, klein ist und dass sie es wenigstens in ähnlicher Größe bauen sollten wie das Haus, in dem sie bisher wohnte. Doch die Leute weigerten sich und fuhren mit dem Bau fort. Selbst als die Betroffene die Angelegenheit vor den Ausschuss brachte, wurde ihr nicht geholfen.

Sprecherin: Abgesehen von dem Verlust von Land und Wohnraum geht es um die Frage, von was die Menschen, die ihr Land abgegeben haben, künftig leben können.

Joan Mirembe: Gibt es Leute, die davon profitiert haben: Ja, es gibt diejenigen, deren Leben sich verändert hat, und die Mehrheit, deren Leben sich verschlechtert hat. Denn sie haben nur sehr wenig Geld erhalten, mit dem sie nirgendwo anders Land kaufen können. Und um Land zu bekommen, müssen die Betroffenen das, was sie haben, aufstocken oder verkaufen. Es gibt auch andere Menschen, die umgesiedelt wurden, an Orte weit weg von ihren Feldern, so dass sie auf Fahrzeuge angewiesen sind, um ihre Gärten zu erreichen. Dies hat ihr Einkommen beeinträchtigt.

Sprecherin: Die Klimaaktivistin Hilda Nakabuye aus Uganda kennt viele Fälle, von jenen, die unter Wert kompensiert wurden und jenen, die in ein Camp umziehen mussten oder darin eingewilligt hatten, ohne genau zu wissen, was auf sie zukommt.

 

Umsiedlung als Ausweg?

Hilda Nakabuye: Natürlich sind die Frauen die Bewirtschafterinnen unseres Landes. Die meisten Frauen arbeiten auf den Feldern, während die Männer zu Hause bleiben und auf das Geld aus den Ernten warten, die die Frauen einfahren. Wenn ihnen also das Land weggenommen wird, können sie es nicht mehr bestellen. Das bedeutet, dass ihre Familien kein Geld verdienen können. Das bedeutet, dass sie es sich nicht leisten können, dieselben Brunnen oder Wasserquellen wie früher zu nutzen, weil sie jetzt an einen anderen Ort gehen müssen. Im Rahmen des EACOP wurden viele Menschen umgesiedelt. Einige von ihnen wurden in ein Lager umgesiedelt. Dieser Lagerplatz hat zwar Wasser, aber das Wasser reicht nicht für die Menschen. Ihr Land ist begrenzt. Es gibt nicht genug Platz für alle, um ein freies Leben zu führen. Es ist wie ein Gefängnis.

Sprecherin: Immerhin, in ein Camp musste Nakjanscha Kato nicht. Dennoch ist ihre Enttäuschung groß, ihre Sorge existenziell:

Nakjanscha Kato: Wir sind mit diesem Projekt nicht zufrieden und wissen nicht, wie wir in den kommenden Jahren leben werden. Ich bin eine alte Frau, wo soll ich hin?

Hilda Nakabuye: Viele Menschen wurden vertrieben, über 100.000 Menschen aus über 400 Dörfern in Uganda und Tansania. Natürlich ist eine Bedrohung der Lebensgrundlagen eine Bedrohung für unsere Ernährungssicherheit, eine Bedrohung für unser Wirtschaftswachstum, denn wir sind für unser Überleben auf die Landwirtschaft angewiesen.

Sprecherin: Die Klimaaktivistin Hilda Nakabuye findet in Anbetracht der vielen Menschen, die betroffen sind, scharfe Worte. Vor allem hat sie die Konsequenzen für die Zukunft im Blick:

Hilda Nakabuye: Alles, was wir tun, hängt von unserem Land ab, auch unsere Tradition, unsere Kultur, unsere Religion und unser Wohlbefinden. Ohne Land kann man in meinem Land nicht überleben. Das EACOP, das den Menschen ihr Land wegnimmt und sie umgesiedelt hat, ist also eine sehr ernste Gefahr für unsere Lebensgrundlagen, für alles, was uns lieb und teuer ist. Denn dann können wir keine Nahrungsmittel anbauen, wir können unsere Familien nicht ernähren, wir können kein Geld für die Bildung aufbringen, wir können kein Geld für die Gesundheitsversorgung aufbringen.

Sprecherin: Der Verlust von Land als eine der wichtigsten Ressourcen für den Lebensunterhalt hat also weitreichende Folgen – für Bildung, Gesundheit, Zukunftsperspektiven. Die Regierung hat laut Verfassung zwar das Recht, bei entsprechenden Kompensationen ihre Bürger*innen zu enteignen, wenn große Infrastrukturprojekte von übergeordneter Bedeutung für das allgemeine Wohl der Gesellschaft Anspruch auf Land geltend machen. Der Prozess ist hochstrittig, die Bewertung von Land, Häusern und anderen Gütern verläuft intransparent, viele fühlen sich betrogen. Hinzu kommt, dass gerade Frauen eingeschüchtert und auch bedroht wurden:

Rachel Tagate: Sie könnten uns einschüchtern. Sie könnten uns sagen, Leute, wenn ihr nicht für das Geld unterschreiben wollt, wird die Regierung euch euer Land umsonst wegnehmen, weil ihr keinen Landtitel besitzt. Dieses Land wurde uns vom König von Bonioro geschenkt. Also, solche Dinge. Natürlich mussten wir dann unterschreiben, weil wir Angst haben, dass wir keine Landtitel hatten. Und wir haben keinen Zugang zu diesen Papieren.

 

Einschüchterung

Sprecherin: Rachel Tagate wohnt in Kabali in dem Dorf Chijumba. Auch sie ist betroffen und beklagt sich über die Art und Weise, wie die Enteignung abgelaufen ist. Längst unterstützt sie als junge Frau auch ältere, denen es noch schwerer fällt, mit der Enteignung umzugehen und sich für ihre Rechte einzusetzen:

Rachel Tagate: Ich bin eine Menschenrechtsverteidigerin. Ich erhebe die Stimme für diejenigen, die nicht in der Lage sind, ihre Stimme zu erheben, wie die Menschen hier im Dorf, die kein Englisch sprechen können. Die nicht einmal Zugang zu den Medien haben, und die nicht einmal wissen, wo die Leute sitzen. Also bin ich eine von denen, die für sie da sind und ihre Stimme für diejenigen erhebt, die ihre Stimme nicht erheben können.

Sprecherin: Rachel Tagate gehört zu den Frauen, die Informationen recherchieren und weitergeben, Medienmacher*innen informieren, Gemeindemitglieder unterstützen. Sie scheint sich vor Einschüchterungen nicht wirklich zu fürchten, weiß aber, dass das, was sie tut, nicht ohne Risiko ist. Der Global Witness Report berichtete schon 2023 über Einschüchterungen:

Global Witness Report: Viele Quellen klagen TotalEnergies und die mit der Abwicklung des Landerwerbs in Uganda beauftragten Unternehmen Atacama und NewPlan an, Druck ausgeübt und Leute eingeschüchtert zu haben. Laut Zeugenaussagen mischten sie in Treffen der Zivilgesellschaft mit, holten Informationen über Umweltschützer*innen ein und warnten diese davor »Menschen in die Irre zu führen« oder »falsche Informationen« zu verbreiten.

Drei Zeug*innen schilderten einen Vorfall im April 2021, als ein bewaffneter Beamter zusammen mit einem Mitarbeiter von TotalEnergies in eine Gemeindeversammlung im Bezirk Rakai eindrang. Keiner von ihnen war eingeladen worden.

Der bewaffnete Mann, der sich als Mitarbeiter des Energieministeriums ausgab, beschimpfte die Versammlungsteilnehmer*innen und beschuldigte sie, die Gemeinden in die Irre zu führen. »Ihr sagt ihnen, dass sie sich dem Projekt widersetzen sollen«, so der Vorwurf gegenüber Florence Nakandi vom Community Transformation Foundation Network (COTFONE). Zitat: »Wenn ihr nicht aufhört, das zu tun, was ihr tut, werden wir sehen, wer wer ist.«

Die Versammelten brachen das Treffen ab, weil sie um ihre Sicherheit fürchteten. Diejenigen, die sich verteidigen und für einen besseren Deal ausharren, bezeugen, dass die Einschüchterungsversuche zunehmen.

Sprecherin: Die Mobilisierung und Organisation von Widerstand gegen die Enteignungen im Rahmen der EACOP wird stark unterdrückt und lässt Aktivist*innen um ihr Leben fürchten. Dabei müssen diese im Verborgenen agieren. Es fehlt oft an organisierter Unterstützung, zum Beispiel durch NGOs. So heißt es weiter in dem Bericht von Global Witness:

Zitat aus dem Global Witness Report: In Tansania ist der Präsident - bzw. die Präsidentin - Eigentümer*in aller Grundstücke. Dies hat es dem EACOP Unternehmen einfacher gemacht, sich Land anzueignen. Unsere Untersuchung deutet jedoch darauf hin, dass die Ölgesellschaft - absichtlich oder unabsichtlich - von einem autoritären politischen Raum und einer fast vollständigen Unterdrückung der Mobilisierung der Zivilgesellschaft gegen die Pipeline profitiert hat. Es gibt ein effektives Verbot von Aktivismus, der als »regierungsfeindlich« wahrgenommen wird.

Viele der von uns befragten Gemeindemitglieder haben keinen Zugang zu Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Gruppen, und diejenigen, die Zugang haben, fürchten sich oft davor, solche Gruppen zu treffen. Mehrere von ihnen wurden behördlich angehört und über ihre Verbindungen zu zivilgesellschaftlichen Gruppen befragt - und ob sie gegen die EACOP seien. Ein Mann aus Tanga sagte, dass Gemeindemitglieder eine Genehmigung des EACOP-Teams benötigen, um sich mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zu treffen. »Wir können unsere Anliegen nicht offen ansprechen denn, wenn wir das tun, geraten wir immer in die Hände von Polizeibeamten«, so Aziza Bilaa, eine Landwirtin aus Dodoma. Sie wurde von zwei Polizisten besucht, als sie von einer Veranstaltung zum Klimawandel in Kenia in ihr Dorf zurückkehrte, und verhört. »Wo kommen Sie her? Was haben Sie gemacht?«, wurde sie während ihrer dreistündigen Festnahme gefragt. »Ich warne Sie nichts gegen das Projekt vorzunehmen.« Der Vorfall verängstigte sie so sehr, dass sie umziehen wollte.

Sprecherin: Diana Naburima von AFIEGO erklärt, es gebe eine Diskrepanz zwischen den offiziellen Richtlinien der Regierung und der Ölunternehmen auf der einen Seite und der praktischen Umsetzung andererseits. Dabei scheinen die Forderungen benachteiligter Bevölkerungsgruppen ignoriert zu werden:

Diana Nabiruma: Die Ölgesellschaften und die ugandische Regierung stellen zwar sehr gute Strategien und Pläne auf, setzen diese aber nicht angemessen um. Im Aktionsplan für die Umsiedlung geben die Entwickler*innen des EACOP-Projekts an, dass sie den Bedürfnissen der vulnerablen Gruppen, einschließlich Frauen, während des Landerwerbs und der Umsiedlung Vorrang einräumen werden. Doch was wir beobachtet haben – ich war erst diese Woche vor Ort und habe etwa Bezirke besucht, in denen Land für die EACOP in Süduganda erworben wird: Frauen und ältere Menschen scheinen die meisten Beschwerden im Zusammenhang mit den laufenden Aktivitäten zur Wiederherstellung der Lebensgrundlage zu haben. Das zeigt, dass den Bedürfnissen der Frauen keine Priorität eingeräumt wird, selbst wenn für die Landerwerbsprozesse eine Bewertung der Gender-spezifischen und anderer Verwundbarkeiten vorgenommen wurde.

Sprecherin: Selbst Witwen werden gewaltsam von ihrem Land vertrieben, unklare Besitzverhältnisse verkomplizieren die Situation für die Betroffenen. In der Broschüre Stories of Pain and Resistance* kommt auch Doreen Bikara zu Wort, eine 47 Jahre alte Landwirtin aus Buliisa:

Doreen Bikara: Am 27. Februar 2024 kamen der Community Liaison Officer von Total Energies und andere Leute zu mir nach Hause. Sie forderten mich auf, mein Haus abzureißen und die Pflanzen auf meinem Land zu vernichten. Mir wurde eine Frist bis zum 5. März 2024 eingeräumt, um dies zu tun, sonst würden bewaffnete Kräfte zur gewaltsamen Räumung des Grundstücks herangezogen. Ich fragte den Verbindungsbeauftragten von TotalEnergies und die Leute, die ihn begleiteten: Warum entschädigen Sie mich, eine arme Witwe, nicht? Damit ich mir eine andere Bleibe suchen kann? Sie weigerten sich und sagten, ich müsse gehen.

Sprecherin: Um ihre Würde zu bewahren, zerstörte Doreen Bikara ihr Haus und ihre Felder selbst, bevor es die Leute von Total Energies tun konnten:    

Doreen Bikara: Im März 2024 nahm ich einen Hammer und zerstörte mein Haus selbst. Ich habe es aus Angst abgerissen. Ich hatte über 300 Wassermelonen gepflanzt, die ich vernichtet habe. Ich tat dies, weil ich nicht wollte, dass bewaffnete Kräfte mein Haus und meine Felder zerstören.

Ich und sechs weitere Familienmitglieder wurden für das Tilenga-Ölprojekt ohne Entschädigung von unserem Land vertrieben. Wir hatten zusammen über 2.610 Pflanzen auf drei Hektar Land, darunter Wassermelonen, Maniok, Neem-Bäume, Bäume für Bauholz und andere. Wir haben keine Entschädigung erhalten, weil unser Land von einer anderen Familie beansprucht wurde. Das Land ist seit vielen Jahren im Besitz unserer Familie, aber wegen des Öls in Buliisa hat die Landnahme zugenommen. Manchmal frage ich mich, warum in Buliisa Öl entdeckt wurde. Dieses Öl ist böse! Ich habe das Gefühl, dass es gekommen ist, um uns Menschen in Buliisa zu töten!

 

Die Jugend: Um die Zukunft geprellt

Sprecherin: Die Benachteiligung von Frauen hat Auswirkungen auf die ganze Familie und führt zu Zerwürfnissen. Davon berichtet Jonan Kiiza, Sohn einer Landwirtin.

Jonan Kiiza: Familien sind kompliziert, vor allem dort, wo Männer als wichtiger angesehen werden als Frauen. Da das Land, von dem meine Mutter vertrieben wurde, ihrem Großvater gehörte, wurden die 80 Millionen Uganda-Schilling, über 20.000 US Dollar, die Total als Entschädigung zahlte, unter den Kindern meines Großvaters aufgeteilt. Die achtköpfige Familie teilte die 80 Millionen Schilling, wobei die Frauen weniger und die Männer mehr bekamen. Die Frauen der Familie, darunter meine Mutter und ihre Schwester, waren die einzigen, die vor ihrer Vertreibung auf dem Land lebten. In der Familie herrscht wegen dieser Ungerechtigkeit bis heute Unfrieden. Meine Mutter teilte die 6 Millionen Schilling, die sie im Namen der Familie ihrer Mutter erhielt, mit ihren drei Geschwistern. So kam sie auf eine Entschädigung von nur zwei Millionen! (rund 510 Dollar)

Als Jugendlicher war ich von dem Projekt negativ betroffen, weil ich die Schule abgebrochen habe. Auch andere Jugendliche in Buliisa leiden darunter. Sie haben kein Land, um Nahrungsmittel anzubauen, Häuser zu bauen und Familien zu gründen. Unsere Familien waren arm, und als sie nur eine geringe Entschädigung erhielten, konnten sie kein angemessenes Ersatzland kaufen.

Sprecherin: Regierung und Projektleitung werben für die Pipeline mit dem Versprechen von Arbeit, Entwicklung und einer besseren Zukunft. Doch, Jonan Jonan Kiiza ist da skeptisch: Die von TotalEnergies versprochenen Arbeitsplätze stehen nicht, oder nur in geringer Anzahl, zur Verfügung:

Jonan Kiiza: Die Jugend in Buliisa wird jetzt wie die Jugend in Buganda. Wenn man 18 Jahre alt wird, lässt die Familie uns gehen. Früher bekamen die Jugendlichen Land von ihren Eltern. Wegen des Ölprojektes ist der Wert von Land in Buliisa gestiegen.

Land wurde zu einem Wirtschaftsgut, und nur sehr wenige Menschen können ihren Kindern Land geben. Auch die Familien sind auseinandergebrochen. Das ist traurig! Die Jugend bekommt auch nicht die versprochenen Öljobs. Wo die Jugend Arbeit findet, verrichten sie niedere Arbeiten.

Sprecherin: Geschichten wie die von Jonan und seiner Mutter oder von Doreen Bakira, die aus Verzweiflung ihr Haus lieber zerstörte, stehen für zahlreiche weitere. Viele Bewohner*innen sehen das EACOP Projekt als Bedrohung für die Zukunft von Frauen – und vor allem auch der Jugend:

Diana Nabiruma: Die Jugendlichen in Uganda besitzen vor ihrem 18. Lebensjahr nur selten Land, aber nachdem sie 18 Jahre alt sind, erhalten sie von ihren Eltern Land. Dies gilt vor allem für die ländlichen Gebiete und insbesondere für die Subregion Buñero, von der aus die EACOP zum Hafen von Tanga in Tansania verlaufen soll. Da das Land erworben wurde, bevor die heutige Jugend18 Jahre alt wurde, bedeutet dies, dass ihre Eltern Land verloren haben, dass ihre Eltern nicht in der Lage waren, das verlorene Land zu ersetzen, sodass die Jugendlichen kein Land von ihren Eltern bekommen.  Die Jugendlichen erzählten uns, dass es für sie schwierig war, sich niederzulassen, zu heiraten und eine Familie zu gründen, weil sie unter Landlosigkeit leiden. Das betrifft die zweite Generation, und viele haben das Gefühl, dass Frauen, Kindern und Jugendlichen durch das EACOP-Projekt ihre Zukunft gestohlen wurde.

 

Tanga: Am anderen Ende der Pipeline

Sprecherin: Die Pipeline und der dafür freigegebene Korridor verlaufen über 1443 Kilometer, westlich des Viktoriasees, dann durch Tansania bis in den Hafen von Tanga am Indischen Ozean. Auch für die Fischer*innen an der Küste von Tansania hat der Baubeginn gravierende ökologische und soziale Folgen. Joyce Juma, eine Fischhändlerin, erzählt:

Joyce Juma: Normalerweise beginnt mein Tag zwischen zehn und dreizehn Uhr, je nachdem wann die Fischer zurück in den Hafen kommen. Wenn es ein guter Tag ist, kaufe ich ihnen drei bis vier Eimer mit Fischen ab. Aber manchmal, wenn es ein schlechter Tag ist und die Fischer nichts gefangen haben, habe ich nur einen oder gar nichts. Dann verarbeite ich die Fische und bringe sie auf den Markt. Wenn sich das Zeitfenster der Fischer verschiebt, verbringe ich zu viel Zeit dort und dann kann ich mich nicht mehr so gut um die Kinder und älteren Menschen zuhause kümmern.

Sprecherin: Noch fließt kein Öl aus Uganda bis in den Hafen nach Tanga. Doch der Ausbau des Tiefseehafens für den Abtransport des Erdöls ist in vollem Gange. Fischergemeinden wurden umgesiedelt. Joye Juma berichtet über die Folgen der Bauaktivitäten

Joyce Juma: Direkt an der Küste wird viel gebohrt. Dort wird das Ölterminal gebaut, um das Öl zu lagern, das aus der EACOP-Pipeline im Hafen ankommt. Wir vermuten, dass der Fischfang aufgrund der häufigen Vibrationen tatsächlich kleiner geworden ist. Die Vibrationen wirken wie ein Erdbeben. Dadurch werden die Brutstätten der Fische zerstört, denn diese befanden sich rund um die Mangroven entlang der Küste und nicht in den tiefen, geschützten Gewässern. Alles ist sehr chaotisch geworden. Abgesehen von meiner Aktivität als Fischhändlerin, fische ich auch Tintenfische. Dafür muss ich sehr tief ins Wasser tauchen, denn die Tintenfische bleiben normalerweise in Höhlen. Diese bunten Höhlen sind auch Brutstätten der Fische. Aber wir vermuten, dass TotalEnergies während der Bohraktivitäten auch Chemikalien ins Wasser abgelassen hat, sodass die Brutstätten weiß geworden sind. Sie locken keine Fische mehr an.

Ich kann nicht mehr so tief tauchen, weil der Lärm der Bohrungen meinen Kopf zum Dröhnen bringt und ich durch das sich bewegende Wasser nichts mehr sehen kann. Früher konnte ich mich an den bunten Korallen orientieren, um die Tintenfische zu finden. Kleinfischer*innen wie ich, die mit traditionellen Fangmethoden wie zum Beispiel Pfeilen fischen, fangen jetzt also viel weniger Tintenfische.

Sprecherin: Man könnte hierzulande meinen, Tanga ist weit weg, Uganda ist weit weg. Das Unternehmen TotalEnergies ist ein französisches, und Uganda soll seine eigene Politik machen dürfen. Was also hat die EACOP mit Deutschland zu tun? Hier kommen die Lieferketten ins Spiel.

Das Rohöl wird voraussichtlich nach Frankreich, Japan und in die USA transportiert und dort raffiniert werden. Und dann? Es ist schwer nachzuverfolgen, welcher Liter Öl, der aus deutschen Total-Tankstellen gezapft wird, aus einer Lieferung stammt, die zuvor mit einer anderen Flüssig-Lieferung in einem Öldepot lagerte, um dann verteilt zu werden. Und doch ist es  keineswegs auszuschließen, dass ugandisches Öl bald an Tankstellen in Deutschland verkauft wird, Öl, dessen Förderung und Transport zuvor dazu geführt hat, dass Menschen vertrieben wurden, dass Frauen in Uganda und Tansania ihre Existenzgrundlage verloren haben, dass die Korallen in Chongoleani ausbleichen und der Fischfang dort zurückgeht, weil Tiefseetanker das Öl nach Europa verschiffen; und auch, dass die Wasserreserven des Lake Victoria, des größten afrikanischen Binnensees, gefährdet werden. Die Liste weiterer Risiken ist lang. An Unfälle oder Sabotage mag niemand denken. Für die Menschen in Uganda ist das, was mit der Ölförderung verbunden ist, existenziell. Deswegen erheben viele Frauen in Uganda ihre Stimme, so wie die Klimaaktivistin Hilda Nakabuye:

 

Mit Aktivismus gegen die Klimabombe

Hilda Nakabuye: Das EACOP-Projekt ist eine Klimabombe, würde ich sagen. Aber es ist auch eine Bombe für unsere Lebensgrundlagen, für unsere Wirtschaft, für unser Wohlergehen. Denn es birgt große Risiken für die Menschen und die Natur in Ostafrika und natürlich für das Weltklima. Ich habe gesehen, wie viele Menschen in den Nachbargemeinden, sogar in meinem Heimatdorf, vertrieben wurden, wie ihr Einkommen und ihre Lebensgrundlagen beeinträchtigt wurden. Es gibt unannehmbare Risiken für die Wasserressourcen, die biologische Vielfalt, die natürlichen Lebensräume, wie die Affen an den Wasserfällen, die Waldreservate und die Schimpansen. Und das ist die Zeit, in der unsere Artenvielfalt stark vom Aussterben bedroht ist, also sollten wir für diese Artenvielfalt kämpfen und sie schützen. Wir sollten unsere eigenen Lebensgrundlagen schützen, wir sollten unser Klima schützen, denn die Klimakatastrophen verschlimmern sich, und auf der anderen Seite haben wir fossile Brennstoffunternehmen wie Total Energies, die versuchen, eine wiederum neue Quelle für Kohlenstoffemissionen zu erschließen.

Sprecherin: Hilda Nakabuye beobachtet das Pipelineprojekt nicht nur aus nächster Nähe. Längst hat sie sich international mit Klimaexpert*innen vernetzt, die den Bau stoppen wollen. In Deutschland sagte sie dieses Jahr auf einer Protestaktion:

Hilda Nakabuye: Angesichts der zunehmenden Klimakatastrophen ist das Mindeste, was wir tun können, um die Menschheit zu retten, aufzustehen und unsere Stimme zu erheben. Ich kämpfe für meine Gemeinschaften, die seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, die Folgen von Ausbeutung, Abbau und Kolonialismus zu tragen haben. Meine Vorfahren haben diesen Kampf über Generationen getragen, und wir werden das Gleiche tun.

Sprecherin: Vertreibung und Landnahmen für den Abbau fossiler Brennstoffe kennt Hilda auch aus Deutschland. Hier hat sie den Ort Lützerat im Braunkohle-Abbaugebiet besucht:

Hilda Nakabuye: Ich war im Jahr 2022 in Deutschland, ja. Ich war zur Berliner Energiewende eingeladen, aber bevor ich meine Rede hielt, besuchte ich eine kleine Gemeinde namens Lützerath, die zu den Gemeinden gehört, die geräumt wurden, um Platz für die Kohleminen zu schaffen, die in Deutschland Tag und Nacht expandieren. Als ich diese Gemeinde besuchte, konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten, denn es ist die gleiche Erfahrung, die meine eigene Gemeinde mit der ostafrikanischen Erdölpipeline macht.

So habe ich die Geschichten von dort mit den Kämpfen in meiner Heimat in Verbindung gebracht, als ich die Kampagnen, die Demonstrationen, die Aktionen von Aktivist*innen und Künstler*innen gesehen habe. Und die Straflosigkeit, all das ist nicht fair. Das hat etwas mit dem zu tun, was in meinem Land passiert. Der Kampf für Klimagerechtigkeit ist also ein globaler Kampf. Mir ist klar, dass er nicht nur in den Ländern stattfindet, die an vorderster Front des Klimawandels stehen. Sondern auch in anderen Ländern, vor allem in denen, wo Menschen gegen fossile Brennstoffe kämpfen.

Sprecherin: Es hat einen Grund, dass in Uganda der Klimaaktivismus – trotz staatlicher Repressionen - wächst. Die Bedrohung durch den Klimawandel in Form von Dürren, Starkregen und Erdrutschen ist ein Grund, die Gefahren und Risiken durch das fossile Megaprojekt kommen hinzu. Auch Vanessa Nakate geht für Klimagerechtigkeit auf die Straße:

Wir haben ein Recht auf ein Leben in Frieden, Würde und Gleich­heit auf einem gesunden Planeten.

Vanessa Nakate: Wir haben ein Recht darauf, unsere Gemeinschaften vor Ausbeutung und Missbrauch zu schützen. Wir haben ein Recht darauf, unsere Zukunft zu sichern, und es gibt keine sichere gemeinsame Zukunft mit fossilen Brennstoffen. Bei der Umstellung müssen wir vorsichtig sein. Wir dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen und eine schmutzige, ausbeuterische und extraktive Industrie durch eine andere ersetzen. Es ist an der Zeit, die Ära der fossilen Brennstoffe zu beenden, es ist Zeit für Frieden. Wir haben ein Recht auf ein Leben in Frieden, Würde und Gleichheit auf einem gesunden Planeten.

Sprecherin: Hilda Nakabuye, Vanessa Nakate, Diana Nabiruma - diese Frauen sprechen eine mutige und unnachgiebige Sprache. Sie kämpfen vielleicht an verschiedenen Fronten, in den Gemeinden, entlang der Baustelle, bei Protestmärschen, bei Klimaaktionen, auf internationalen Konferenzen und Klimaforen. Was sie gemeinsam haben, ist das gemeinsame Ziel, die Landrechte in Uganda nicht für ein fossiles Großprojekt zu verspielen. Denn Landrechte sind, gerade für Frauen, in Uganda zentral für ein Leben in Würde.

Hilda Nakabuye: Deutschland muss seine Kohle-Förderung reduzieren. Uganda muss seine Ölförderung einstellen, das Öl, das East African Crude Oil Pipeline-Projekt. Wenn wir diese Geschichten zusammenbringen, haben sie alle etwas mit fossilen Brennstoffen zu tun. Deshalb stehen wir als Klimaaktivist*innen auf und sprechen uns gegen diese Ungerechtigkeit aus, die sich nicht nur auf unsere Gemeinden, sondern auch auf unser Leben, unseren Lebensunterhalt und die ganze Welt auswirkt, denn die Emissionen aus diesem Projekt werden nicht nur die Menschen in den Gemeinden betreffen, sondern die ganze Welt.

Shownotes

  • Stories of Pain and Resistance - Ugandan Communities share their experiences with TotoalEnergies` oil projects | Geschichten von Schmerz und Widerstand – Ugandische Gemeinden teilen ihre Erfahrungen mit den Ölprojekten von Total Energies
  • Climate of Fear – TotalEnergies implicated in repression of land and environmental defenders in East Africa. Global Witness Report

 

Quellen Sound

Traffic Kampala | Mwere nature park (Ninade vromme) | African Piano | Kalimba | Uganda village at night

Das Feature, produziert vom südnordfunk Team, entstand gemeinsam mit unserem Partner Witness Radio Uganda. Auf der Website sind viele weitere Einzelfälle von Vertreibung durch Landnahmen dokumentiert. Das Feature wir auch Uganda ausgestrahlt. Es entstand im Rahmen des SEZ geförderten Projektes »Klimakrise in der Pipeline!« 2024.

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