»Das Projekt ist nicht mehr attraktiv«

China soll das Finanzloch der EACOP schließen

Audiobeitrag von Anni Eble und Abelina Rumpel

04.07.2024
Teil des Dossiers Klimakrise in der Pipeline

Die ostafrikanische Rohölpipeline (EACOP) steht vor einem Finanzloch. Zahlreiche westliche Banken und Versicherer sind bereits abgesprungen – währenddessen ist der Bau der Pipeline in vollem Gange. Die Anteilseigner scheinen zuversichtlich, das Projekt ausfinanzieren zu können. Dafür kommen vor allem chinesische Banken ins Spiel. Doch auch diese lassen auf sich warten. Über die Gründe für die Verzögerung und die Frage, wie China gestoppt werden kann, sprach der südnordfunk mit Zaki Mamdoo (StopEACOP) und Ryan Brightwell (BankTrack).


Chinas Finanzierung der EACOP

Erstausstrahlung am 2. Juli 2024 im südnordfunk #122 auf Radio Dreyeckland

Skript zum Audiobeitrag

Proteste gegen die EACOP vor der chinesischen Botschaft in Uganda. Protestierende sitzend, umringt von Polizisten, halten Schilder in die Höhe
Studierende protestieren vor der chinesischen Botschaft gegen deren Finanzierung der EACOP | Foto: Bruce N.

Sprecher*in: Die ostafrikanische Rohölpipeline ist ein sozial und ökologisch hochumstrittenes Projekt, soviel ist klar. Doch auch aus finanzieller Perspektive gibt es Risiken. So haben zahlreiche Banken und Versicher*innen bereits die Finanzierung aufgekündigt. Zuletzt sind die Japanese Banking Cooperation und die Danish PKA aus dem Projekt ausgetreten. Das größte Infrastrukturprojekt Ostafrikas – ohne Finanzierung? In der Zeitung The East African heißt es dazu am 17. Juni:

The East African: Mehr als ein Jahr, nachdem chinesische Geldgeber und die Entwickler der East African Crude Oil Pipeline die Verhandlungen über die Finanzierung der Projektschulden aufgenommen haben, klafft ein massives Loch in der Finanzierungsstruktur. Da die Kredite in Höhe von etwa drei Milliarden Dollar nicht unmittelbar verfügbar sind, sehen sich die Anteilseigner gezwungen, Notmaßnahmen zu ergreifen, um zusätzliches Eigenkapital zu beschaffen.

Sprecher*in: Wo genau das Projekt finanziell steht, ist jedoch schwierig zu sagen. Das berichtet Zaki Mamdoo, südafrikanischer Aktivist und Koordinator der Kampagne #StopEACOP, im Interview mit dem südnordfunk:

»Die Ent­scheidung der chines­ischen Staats­unter­nehmen hat sich erheb­lich ver­zögert«

Zaki Mamdoo: Wir wissen, dass das gesamte Projekt insgesamt etwa fünf Milliarden US-Dollar kostet. Bislang wurde das Projekt aber nicht in großem Umfang finanziell unterstützt, sondern von vergleichsweise kleinen Akteur*innen. Das sind z.B. die Islamic Development Bank und die AFREXIM Bank, die erst kürzlich ein paar hundert Millionen bereitgestellt haben. Natürlich haben sowohl die ugandischen Behörden als auch andere Befürworter*innen des Projekts in den letzten Wochen mehrfach betont, dass sie alle Kreditgeber*innen gefunden hätten. Trotz dieser Aussage waren sie aber nicht in der Lage, die Finanzierung abzuschließen, oder anzugeben, wer diese Geldgeber*innen sein sollen.

Sprecher*in: Die größte Hoffnung liegt dabei bei China, das mit seinem staatlichen Ölunternehmen CNOOC Anteile an der Pipeline hat. Die Verhandlungen dazu laufen. Im April war die ugandische Energieministerin in China zu Gast. Doch auch der Protest ließ nicht lange auf sich warten:

Zaki Mamdoo: Aktivist*innen, Gemeindemitglieder, Menschenrechts-, Umwelt- und Landverteidiger *innen in den Projektländern Uganda und Tansania, aber auch weltweit, sind auf die Straße gegangen, um zu fordern, dass China sich von dem Projekt distanziert. Zuletzt gab es am 27. Mai eine Aktion, bei der zivilgesellschaftliche Gruppen in Uganda und Tansania zur chinesischen Botschaft in Kampala sowie zur Botschaft in Daressalaam marschierten, um ein Forderungsschreiben zu überreichen. Darin wiesen sie auf die Beschwerden und Erfahrungen der von der EACOP betroffenen Gemeinden hin. Der Grund für die Proteste liegt unter anderem darin, dass sie seit Jahren versuchen, einen sinnvollen und konstruktiven Dialog mit den chinesischen Behörden aufzubauen. Sie stießen aber auf verschlossene Türen und taube Ohren. So forderten sie, dass die chinesische Regierung und ihre staatlichen Unternehmen die Unterstützung für das EACOP-Projekt und die damit verbundenen Ölbohrprojekte einstellen. Außerdem sollten sie sicherstellen, dass Menschenrechtsverletzungen, Entschädigungsfragen und Umweltschäden auf dem Rechtsweg bearbeitet werden und Entschädigungen nach internationalen Standards ausgezahlt werden.

Sprecher*in: Inzwischen liegt noch keine Zusage von China vor. Ob das Land das Projekt finanziert, hängt von der staatlichen Kreditgesellschaft ab, so Zaki Mamdoo:  

Zaki Mamdoo: China ist über seine verschiedenen staatlichen Unternehmen Hauptanteilseigner an dem gesamten Projekt, insbesondere der Kingfisher-Ölförderanlage in Uganda. Derzeit sieht es so aus, dass Sinosure im Juli öffentlich bekannt geben wird, ob es sich an dem Projekt beteiligen wird oder nicht. Sinosure ist die führende staatliche Export- und Kreditversicherungsgesellschaft Chinas. Wenn Sinosure die Deckung und das Risiko für das Projekt übernimmt, werden wahrscheinlich auch die großen staatlichen chinesischen Finanzinstitute ihr Gewicht einwerfen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass eine entsprechende Entscheidung getroffen wurde. Meiner Meinung nach hat sich die Entscheidung der chinesischen Staatsunternehmen, das Projekt vollständig zu unterstützen, erheblich verzögert. Das ist zum Teil auf die Reputation des Projekts zurückzuführen, aber auch auf die finanziellen Risiken, die mit der EACOP verbunden sind.

Sprecher*in: Auch Ryan Brightwell von der NGO BankTrack schätzt die Attraktivität des Projekts eher gering ein. China befinde sich jedoch in einer anderen Ausgangssituation als andere Investoren. BankTrack ist ebenfalls an der Kampage #StopEACOP beteiligt.

Ryan Brightwell: Ich denke, das Projekt ist nicht mehr attraktiv, und das sieht man an der sinkenden Anzahl an Investoren. Durch die EACOP ist China in Uganda sehr präsent. Zwanzig Prozent des Ölprojekts gehört der ICBC, einer chinesischen Bank. Sie haben also Verbindungen zu den Parteien, die die Ölpipeline bauen. Wenn sie sich davon zurückziehen, sehen sie wahrscheinlich die Fortsetzung ihrer Geschäfte in Uganda in Gefahr. Ich denke, dass sie sich in einer wirklich schwierigen Lage befinden. Das ist der einzige Grund, warum sie weitermachen. Die Analyse der chinesischen Banken im Gegensatz zu anderen Banken wird anders ausfallen, da sie mit dem staatlichen Ölunternehmen CNOOC langfristig involviert sind. Es könnte also sein, dass China dieses Projekt deshalb fertigstellen will, auch mit dem Interesse, den Einfluss im Ausland zu sichern. Das könnte die Kalkulation ein wenig beeinflussen, denn für chinesische Banken ist es immer noch ein sehr riskantes Projekt – und sie sind sich dieser Risiken durchaus bewusst.

China als großer Kreditgeber für die EACOP?

Sprecher*in: Das Land ist bekannt dafür, dass Menschenrechtsstandards dem Profitinteresse untergeordnet werden. Zaki Mamdoo sieht dennoch Hebel, um China zu stoppen:  

Zaki Mamdoo: China ist wie der Westen in vielerlei Hinsicht nicht gerade dafür bekannt, sich wirklich um die Rechte und das Wohlergehen der lokalen Gemeinschaften auf dem afrikanischen Kontinent zu kümmern. Und im Fall von EACOP ist es ganz offensichtlich, dass China Geschäfte anstrebt, die den lokalen Gemeinden erheblichen Schaden zufügen. Das sind Geschäfte, die die Ausbeutung und Verschuldung der Gastländer Uganda und Tansania und der gesamten Region vorantreiben. Dadurch werden sie in einen sehr engen, auf das Wachstum fossiler Brennstoffe ausgerichteten Nexus eingebunden.

Ich glaube trotzdem, dass man viel dagegen unternehmen kann. Denn China charakterisiert sich selbst als eine globale Kraft, die antiimperialistisch und dekolonial agiert und die an der Entwicklung Afrikas interessiert ist. Ich denke, es ist wichtig, dass wir weiterhin benennen, wo ihre Spuren auf dem Kontinent dieser Selbstdarstellung widersprechen. Wir müssen sie richtig blamieren und dem afrikanischen Volk, aber auch den afrikanischen Regierungen zeigen, dass sie im Grunde genommen für dumm verkauft werden. Und, dass sie weiterhin ausbeuterischen und extraktiven Beziehungen ausgesetzt sein werden, wenn sie China in seiner derzeitigen Form als subimperiale Macht erlauben, diese Art von Projekt auf dem Kontinent zu verfolgen. Wir müssen unsere Bewegung also massiv ausweiten. Und China muss erkennen, dass die Afrikaner*innen nicht blind sind für ihre Absichten. Wir müssen fordern, dass sie ihre Prioritäten und ihre Investitionen neu ausrichten, so dass sie mit den Entwicklungsbestrebungen und dem Wohlergehen unserer Leute im Einklang sind.

Sprecher*in: Eine massive Ausweitung der Stop-EACOP-Bewegung ist laut Zaki Mamdoo notwendig. Die Bewegung existiert bereits seit über sechs Jahren. Das spricht für deren Größe und Langatmigkeit. Die Chance, das Projekt noch zu stoppen, sieht Ryan Brightwell durchaus:

Ryan Brightwell: Ich glaube, wenn Sie mich vor sechs Jahren gefragt hätten, wo wir heute stehen, hätte ich nicht erwartet, dass wir immer noch mit dem Projekt beschäftigt sind. Auch, dass das Projekt immer noch nicht den finanziellen Abschluss erreicht hat und es diese enorme Verzögerung bei der Projektfinanzierung gibt. Das verstärkt natürlich den Druck, so dass ich glaube, dass es möglich ist, das Projekt zu stoppen. Ob das wahrscheinlich ist oder nicht, kann ich nicht sagen.

TotalEnergies und die ugandische Regierung treiben das Projekt trotz allem voran. Land wird für das Projekt gerodet, die Pipeline wurde gekauft und geliefert. Ungeachtet der Tatsache, dass das Geld nicht da ist, fahren die Unternehmen mit ihrem gefährlichen Plan fort. Sie sind also überzeugt, dass sie das Ölprojekt fertigstellen können.

Sprecher*in: Dass die Anteilseigner*innen der Pipeline so selbstbewusst agieren, liegt neben drohenden Reputationsschäden sicher auch an den riesigen Gewinnen, die nach der Fertigstellung winken. Schließlich soll die zukünftige Nachfrage nach Erdöl bis 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben. Mit diesen Aussichten scheint es schwer, die profitorientierten Unternehmen davon abzuhalten, in Erdöl zu investieren. Gibt es noch weitere Möglichkeiten, um der fossilen Industrie und damit der EACOP den Hahn abzudrehen? Im November dieses Jahres findet die Weltklimakonferenz (COP) statt. Ein Grund zur Hoffnung? Zaki Mamdoo sieht das kritisch.

Zaki Mamdoo: Es ist schwer, Hoffnung in den COP-Prozess zu setzen. Wir wissen, dass die Lobby der fossilen Brennstoffe unglaublich stark bei der COP vertreten ist. Und wir wissen, dass führende Politiker*innen und Staatsoberhäupter in den Taschen dieser Industrie sitzen. Ich glaube, dass die globale Bewegung ihre Kämpfe im Vorfeld, während und nach der COP intensivieren muss. Sie muss zu einer Bewegung werden, die nicht mehr ignoriert werden kann.

Um den Ausstieg Chinas aus der EACOP zu erreichen, müsste es auf der kommenden COP unbedingt ein festes, verbindliches Abkommen für den vollständigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen geben. Es müssten ernsthafte und dringende Zeitpläne dafür festgelegt werden, und dieser Ausstieg müsste vollständig verpflichtend sein. Dazu gehört natürlich auch, dass keine neuen Projekte im Bereich der fossilen Brennstoffe gestartet werden dürfen.

Sprecher*in: Der südafrikanische Aktivist geht sogar noch weiter:

Zaki Mamdoo: Ich denke, darüber hinaus ist die Finanzierung der immensen Verluste und Schäden sowie Reparationen und ein Schuldenerlass notwendig. Damit die afrikanischen Länder weder auf westliche noch auf chinesische Unterstützung oder auf fossile Brennstoffprojekte angewiesen sind, um ihre Staatskasse aufzubessern oder sich nicht verschulden zu müssen. Unsere Bewegung greift diese Forderungen auf und besteht darauf, dass es neben einem Ausstieg aus fossilen Energieträgern, wiederherstellende Gerechtigkeit, Reparationen und Schuldenerlass geben muss. Das würde afrikanischen Ländern ermöglichen, Entwicklung durch die Förderung und den Export von Rohstoffen, einschließlich fossiler Brennstoffe, zu erreichen. Sie wären dann in der Lage der Verwirklichung substanzieller Freiheiten Vorrang einzuräumen, die tatsächlich zur Messung von Entwicklung herangezogen werden sollten. Substanzielle Freiheiten wie Gesundheitsfürsorge, Bildung, Unterkunft, Zugang zu angemessener Ernährung, Zugang zu Energie und so weiter.

Sprecher*in: Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Der nächste Schritt ist China zu stoppen. Ob das gelingt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Klar ist, dass es weiterhin überall Protest braucht.

Shownotes

  • Zur Kampagne von 350.org gegen Chinas Finanzierungspläne

Ein Audiobeitrag von Anni Eble (iz3w) und Abelina Rumpel im Rahmen des Medienprojekts »Klimakrise in der Pipeline«.

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