Buchcover von schoenes Auslsenderkind

Aus Versehen Feminist

Rezensiert von Larissa Schober

14.08.2024
Veröffentlicht im iz3w-Heft 404

Unter dem Namen »Toxische Pommes« ist die österreichische Kabarettistin Irina auf TikTok längst ein Star, jetzt hat sie ihren ersten Roman geschrieben. Ein schönes Ausländerkind erzählt ähnlich bissig wie ihre Videos und ihr Bühnenprogramm vom (Nicht-)Ankommen in einer Einwanderungsgesellschaft, die keine sein will. Die namenlose Ich-Erzählerin flieht (wie einst auch die Autorin) vor den jugoslawischen Zerfallskriegen zu Beginn der 1990er-Jahre nach Österreich. Noch ein Kind, muss sie mit einem Schlag erwachsen werden. Gerade am Anfang ist sie das Tor ihrer Familie zur Welt. Sie muss Briefe übersetzen und den Eltern diese neue Welt erklären. Mutter und Vater waren in Jugoslawien beide Akademiker*innen. In Österreich erhält der Vater keine Arbeitserlaubnis und die Mutter muss die Familie zunächst als Putzkraft über Wasser halten.

Das Buch erzählt humor­voll von Scham, Ent­frem­dung und dem ewigen Zwischen-den-Stühlen-Sitzen

Die Ich-Erzählerin wird hingegen zur ‚perfekten‘ Migrantin, zum titelgebenden schönen Ausländerkind. Denn sie hat nicht nur blaue Augen, sondern auch gute Noten und viel Ehrgeiz. Das Buch erzählt humorvoll von Scham, Entfremdung und dem ewigen Zwischen-den-Stühlen-Sitzen, von Balkan-Urlauben, Obsttellern als Liebesbeweise und verbrannten Barbie-Puppen. Es ist dort am stärksten, wo den Lesenden das Lachen regelrecht im Hals stecken bleibt: Etwa, wenn die Autorin anhand einer frustrierten Lehrerin mit unerträglichem Helferkomplex die österreichische Gesellschaft vorführt. Renate Hell nimmt gerne Geflüchtete bei sich auf und fühlt sich dabei gut – doch eigentlich schikaniert sie diese als Putzkräfte und erfüllt sich über sie den kleinbürgerlichen Traum von einer Hauswirtschafterin. An solchen Stellen ist das Buch böse – und wirklich gut.

Spannend und traurig ist zudem die Geschichte des Vaters, der, wie ein Unterkapitel titelt, »versehentlich zum Feministen wurde«. Während Tochter und Frau nach und nach der ‚Aufstieg‘ in der österreichischen Gesellschaft gelingt, wird er zum Hausmann, verliert den Zugang zur Welt und sich selbst. Ein Schicksal, das sonst überwiegend Frauen trifft. Er unterstützt seine Tochter und deren Aufstieg wo er kann, doch diese schämt sich für ihren Vater.

Man merkt dem Roman an, dass er ein Erstling ist – an manchen Stellen fehlt der Tiefgang, auch sprachlich reicht er nicht an andere autofiktionalen Erzählungen der letzten Jahre heran. Dennoch liest sich »Ein schönes Ausländerkind« gut und führt eine schöne Neuerung ein: Die Gespräche in der Familie sind allesamt auf Kroatisch, mit deutscher Übersetzung in Klammern.

Toxische Pommes: Ein schönes Ausländerkind. Zsolany Verlag, Wien 2024. 206 Seiten, 23 Euro.

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