Es ist eine Person zu sehen, welche lächelnd mit den Händen hinter dem Rücken vor einem geteilten Hintergrund zu sehen ist, welcher die Alpen und eine Stadt in Afghanistan darstellt

Brücken­bauen

Rezensiert von Josephine Haq Khan

07.08.2024

Der Journalist Emran Feroz ist Tiroler und Afghane. Diese doppelte Identität thematisiert er in seinem neuen Buch Vom Westen nichts Neues. Die Widmung »Für alle, die zwischen den Welten leben« zeigt, wie er seine Identität wahrnimmt. Feroz sieht sich hier als Brückenbauer und klärt über Afghanistan auf. Außerdem dreht er die Geschichte so geschickt herum, dass nicht nur Afghanistan, sondern auch Tirol und dessen Eigenheiten beleuchtet werden.

Dabei geht der Journalist und Autor Feroz in diesem sehr persönlichen Buch nicht chronologisch vor, sondern ist stets auf der Suche nach Parallelen vom einen zum anderen Land. Er weist darauf hin, dass nicht nur in Afghanistan Korruption ein großes Problem ist, sondern auch in Österreich, wie die Ibiza-Affäre zeigt. Den Tiroler Volkshelden Andreas Hofer, der bis heute oft idealisiert wird, knöpft Feroz sich besonders vor: Er bezeichnet Hofer als »Talib aus Tirol«, weil dieser ein erzkatholischer und misogyner Extremist war und somit Ähnlichkeiten mit den Taliban aufweise. So problematisiert Feroz den einseitigen österreichischen (und deutschen) Blick auf Afghanistan, der oft von oben herab verläuft.

Korruption ist nicht nur in Afgha­nistan ein großes Problem

Ein besonderes Augenmerk legt Feroz auf die Vielfältigkeit Afghanistans, das von vielen kulturellen Einflüssen geprägt ist. Dabei greift Feroz auch Sprache und Kleidung auf. Er demonstriert, wie diese als Ausdruck davon wahrgenommen werden, wie ‚modern‘ oder ‚zivilisiert‘ eine Person ist – in Kabul oder Innsbruck. Diese Vorstellungen irritiert Feroz, indem er sich mit dem Peran Tumban selbst auch gerne mal traditionell afghanisch kleidet. Der Spaß endet jedoch, wenn Feroz aufgrund seines Aussehens für einen Terroristen gehalten wird – auch diese rassistische Zuschreibung thematisiert er.

Gleichzeitig ist »Vom Westen nichts Neues« eine Geschichte darüber, wie es ist, als muslimischer Jugendlicher mit afghanischen Eltern im Innsbruck der 1990er-Jahre aufzuwachsen. Feroz erzählt Anekdoten aus seinem Leben und seiner Familiengeschichte zwischen dem Hindukusch und den Alpen, zwischen Kabul und Innsbruck, Pol-e Khumri und Stuttgart – als Journalist und Kosmopolit, der fließend Paschto, Farsi und Deutsch spricht. Diese Geschichten sind auch deshalb persönlich, weil sie Gemeinsamkeiten mit vielen anderen (afghanischen) Menschen in der Diaspora aufweisen, aber eben nicht verallgemeinerbar sind. Denn im Gegensatz zu vielen anderen kommt Feroz aus einer relativ vermögenden und gebildeten Familie. Mit »Vom Westen nichts Neues« erreicht er dennoch über gut lesbare Anekdoten ein breites Publikum und vermittelt kritisches Wissen.

Emran Feroz: Vom Westen nichts Neues. Ein muslimisches Leben zwischen Alpen und Hindukusch. Verlag C.H. Beck, München 2024. 220 Seiten, 18 Euro.

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