Aktuell häufen sich Kriege ohne Aussicht auf Friedensverhandlungen: Ukraine, Sudan, Jemen, Gaza. Protestbild "No War"
Schön wär's. | Foto: Thomas Hawk CC BY-NC 2.0 Deed

Kriegs­zeiten

Editorial

Es heißt, dass sich jeder Krieg erschöpft und dann Friedensverhandlungen folgen. In der aktuellen Weltlage sieht es nicht so aus. Vor gut 14 Monaten wurde der Bürgerkrieg zwischen Äthiopien und seiner Provinz Tigray in einen Waffenstillstand ohne Aussicht auf ein Friedensabkommen versetzt. Er hinterlässt neben 600.000 Todesopfern zahlreiche Fragen zu Kriegsverbrechen auf beiden Seiten. Die Kriege in Israel/Gaza und der Ukraine halten an. Jener im Sudan eskaliert weiter und wird von der Weltöffentlichkeit, wenn überhaupt, nur am Rande wahrgenommen. Der jahrelang vergessene Krieg in Jemen erhält nun wieder Aufmerksamkeit, weil die Huthi-Rebellen die Eskalation in Israel und Gaza als Anlass nehmen, Schiffe im Roten Meer anzugreifen.

Die globale autoritäre Wende gibt bei den fünf Kriegen den Takt vor. Zugleich haben die fünf Kriege ihre eigenen fünf Geschichten. In Tigray/Äthiopien und in Jemen ist, eingedenk unfähiger und inzwischen kriegsverbrecherischer Zentralregierungen, je ein sezessionistischer Nationalismus kriegsauslösend: In Tigray wollten sich die alten Honoratioren der Volksbefreiungsfront ‚angestammte‘ Privilegien sichern, woraufhin es Äthiopiens Streitkräfte nicht scheuen, Hunger als Kriegswaffe für ihren Nationalismus einzusetzen.

Für die Rackets ist die Be­völkerung eine Beute, die im Krieg taktisch eingesetzt wird

In Jemen wollen die schiitischen Huthi-Rebellen ein Islamisches Emirat errichten. Seit 2013 lösen sie mit ihrem, von Iran unterstützten, Bürgerkrieg die Binnenflucht von über vier Millionen Menschen und eine humanitäre Katastrophe aus. Die Aufständischen betrachten das kalt lächelnd, denn sie haben höhere Ziele. Sie nennen sich Ansar Allah (Helfer Gottes) und ihre Losung heißt »Gott ist groß, Tod den USA, Tod Israel, Verdammnis den Juden, Sieg dem Islam«. Friedensverhandlungen sehnen sie sich nicht herbei. Vielmehr steigen sie als Teil der »Achse des Widerstands« zusammen mit Iran, Hamas, Hisbollah und anderen Gotteskriegern in den aktuellen Krieg um Israel ein. Beim aktuellen Gazakrieg war die Hamas mit dem Terrorangriff am 7. Oktober 2023 kriegsauslösend. Jetzt führt Israel die meisten tödlichen Militärschläge durch. Der unlösbar erscheinende Krieg gegen die Hamas prägt die Region und die Zahl der getöteten Palästinenser*innen im Gazastreifen steigt in Tausenderschritten.

Beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine steht ein anderer Nationalismus im Vordergrund. Dabei zerstört das autoritäre Regime unter Präsident Wladimir Putin täglich die Infrastruktur und Menschenleben des kleineren Nachbarlandes. Das von der putinistischen Partei Einiges Russland dominierte Regime folgt einer extrem rechten Agenda nach außen und innen. Das Anwachsen autoritärer Bewegungen und Regierungen (iz3w 396 Fatale Gewöhnung) im globalen Neoliberalismus macht Kriegsführung zunehmend zu einer Politikform unter anderen.

In Sudan konnten wir noch vor einem Jahr vom Demokratisierungsprozess nach dem Sturz von Militärdiktator Umar al-Baschir 2019 berichten (iz3w 394). Jetzt herrscht Bürgerkrieg. Der erste Kriegsgrund ist die Weigerung des Militärs insgesamt, die Macht in die Hände einer zivilen Regierung zu geben. Kriegsauslösend war aber die Spaltung zweier Militärfraktionen und die Weigerung der Rapid Support Forces (RSF), sich in die Armee eingliedern zu lassen. Deren Chef Hemeti ist schon jetzt einer der reichsten Menschen in Sudan. Dieser Reichtum wie auch der Krieg der RSF knüpft an eine grausame Vorgeschichte an. Die RSF sind aus den islamistischen Dschandschawid-Milizen hervorgegangen, die im Darfur-Konflikt seit 2003 die schwarzafrikanische Bevölkerung massakrierten.

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Trotz tausender Todesopfer schafft es der Krieg im Sudan kaum in die deutschsprachigen Schlagzeilen. Auch nicht, als Ende Januar die Vermittlungsbemühungen der Staaten am Horn von Afrika, IGAD, krachend scheiternden. Sudans Militärregierung hat nun ihre Mitgliedschaft eingefroren. Die zwei Kriegsparteien führen ihren Bürgerkrieg gegeneinander weiter. Etwa 25 Millionen Menschen sind laut der UN auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wie so oft in solchen asymmetrischen Kriegen ist dieses Leid von den Kriegsparteien einkalkuliert – so kapern die RSF von Anfang an die Hauptstadt und nutzen die Bevölkerung dort als Schutzschild. Gleichzeitig richten sie Massaker an und bereichern sich, während das Land verarmt. Es kämpfen heute seltener zwei Armeen gegeneinander, sondern es ist die Logik von Rackets, der Bandenherrschaft am Werk. Für die Rackets ist die Bevölkerung eine Beute, die im Krieg taktisch eingesetzt und ausgebeutet wird.

So verschieden die Kriege sind: die Vorstellung, dass überall ‚der Krieg‘ herrscht und alle beteiligten Parteien gleich verantwortlich seien, ist eine Legende. Nicht viel besser ist jedoch die Vorstellung, dass dort der Kampf zwischen Gut und Böse tobt. Stimmt es wenigstens, dass sich jeder Krieg erschöpft und es zu Friedensverhandlungen kommt? Es fragt sich, wie man die Verhältnisse schaffen kann, die diese Kriege nicht beginnen lassen.

die redaktion

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 401 Heft bestellen
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