»Der Kampf für Klima­gerechtig­keit ist ein globaler Kampf«

Gender­gerechtigkeit ist Klima­gerechtigkeit

Audiobeitrag von Martina Backes und Selina Matthey

04.09.2024
Teil des Dossiers Klimakrise in der Pipeline

Im Februar 2019 gehen in der ugandischen Hauptstadt Kampala zum ersten Mal Klimaaktivist*innen auf die Straße und demonstrieren für Klimaschutz. Das war der Startschuss für Fridays for Future Uganda. Inzwischen gibt es in Uganda eine starke  Klimabewegung. Eine der Gründer*innen ist Hilda Nakabuye. Im Gespräch mit ihr erörtert der südnordfunk die Frage, welche Rolle Frauen in der Bewegung spielen und warum eine Genderperspektive auf die Klimakrise in Uganda und die Folgen der Ölförderung dort wichtig ist.


Skript zum Interview mit Hilda Nakabuye

Erstausstrahlung am 2. September 2024 im südnordfunk #124 bei Radio Dreyeckland

 

Hilda  Nakabuye in einem Instagram Post: With increased climate catastrophes the least we can do to save humanity is to stand up and speak up. I'm fighting for my communities that have been bearing the brand for decades if not centuries of exploitation, extraction, colonialism. My ancestors have endured this fight for generations and we will do the same.

Sprecherin Übersetzung: Angesichts der zunehmenden Klimakatastrophen ist das Mindeste, was wir tun können, um die Menschheit zu retten, aufzustehen und unsere Stimme zu erheben. Ich kämpfe für meine Gemeinschaften, die seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, die Folgen von Ausbeutung, Abbau und Kolonialismus zu tragen haben. Meine Vorfahren haben diesen Kampf über Generationen getragen, und wir werden das Gleiche tun.

Das sagte Anfang dieses Jahres die Klimaaktivistin Hilda Nakabuye bei einem Besuch in Deutschland. Im Februar 2019 gehen in der ugandischen Hauptstadt Kampala zum ersten Mal Klimaaktivist*innen auf die Straße und demonstrieren für Klimaschutz. Das war der Startschuss für Fridays for Future Uganda. Inzwischen gibt es in Uganda eine starke Klimabewegung, vor allem unter jungen Menschen. Sie fordern dringend Maßnahmen gegen die Klimakrise. Dafür gibt es mehrere gute Gründe. Zum einen sind die Menschen in Uganda von der Klimakrise stark betroffen. Und zweitens befindet sich in Uganda eines der größten Projekte für fossile Energie überhaupt, die  ostafrikanische Rohölpipeline EACOP. Darüber sprechen wir heute mit Hilda Nakabuye, und zwar vor allem aus einer Gender-Perspektive.

 

südnordfunk: Eines Deiner  Ziele ist es, den Druck auf politisch Verantwortliche zu erhöhen, damit diese dem Klimaschutz Vorrang vor der Förderung fossiler Energieträger einräumen. Aber in Uganda sehen wir, dass mit der EACOP der Bau einer der längsten beheizten Ölpipelines weltweit im Gange ist. Heute werden wir über die Klimarisiken und Menschenrechtsverletzungen sprechen, die durch die EACOP verursacht werden, und über ihre Auswirkungen auf die Klimagerechtigkeit aus der Geschlechterperspektive. Doch zunächst würden wir gerne mehr über Deine persönliche Motivation erfahren, sich in der Klimabewegung zu engagieren. Eine Deiner ersten Aktionen als Klimaaktivist war es, die Politik aufzufordern, den Klimanotstand auszurufen.

 

Hilda Nakabuye: Als Klimaopfer in Uganda spreche ich aus Erfahrung aufgrund der Auswirkungen, denen ich und meine eigene Community  ausgesetzt waren. Als ich 10 Jahre alt war, hatten wir eine riesige Plantage. Und wegen der steigenden Temperaturen, der zunehmenden starken Regenfälle und der starken Winde wurde unsere Farm verwüstet. Wir haben unsere gesamte Ernte verloren, weil die Plantage komplett verwüstet wurde. Wenn man sich die umliegenden Gemeinden anschaut, dann sind es nicht die Überschwemmungen, sondern die starken Winde, die Häuser zerstören. Von Erdrutschen über Schlammlawinen bis hin zu Dürren und Hungersnöten in anderen Gebieten. Die Auswirkungen des Klimawandels sind unübersehbar. Und die Tatsache, dass wir in Uganda nur sehr wenig zu den globalen Treibhausgasemissionen beitragen, schmerzt umso mehr, als wir weniger in der Lage sind, die Folgen  des Klimawandels zu bekämpfen.

Wie stark sind auch Menschen in größeren Städten betroffen und spielt Gender dabei eine Rolle?

Ja, die Menschen in größeren Städten sind betroffen. Ich arbeite derzeit in Kampala. Erst vor zwei Tagen gab es heftige Regenfälle, die meisten Nachbargemeinden Kampalas die überschwemmten, das erschwerte den Verkehr, die Wirtschaft und die Kommunikation, weil es aufgrund der starken Stürme zu einem Stromausfall kam.

Jedes Mal, wenn wir in Kampala diese  Starkwinde und heftige Regengüsse erleben, kommt es zu stundenlangen Stromausfällen – und wir wissen nicht einmal, wann der Strom wieder da sein wird. Außerdem sind die Häuser vieler Menschen überschwemmt. Und die Umweltverschmutzung nimmt zu, weil Investoren in der Nähe von Kampala Industrieanlagen errichten. Die Temperaturen sind gestiegen und die meisten Bäche in Kampala ausgetrocknet, so dass die Menschen sich auf die Suche nach Wasser machen müssen. Und wir haben gesehen, dass bei hohen Temperaturen manchmal auch der Wasserstand  des Viktoriasees sinkt. Wenn es stark regnet, steigt der Wasserstand und überflutet die umliegenden Gemeinden. Die Auswirkungen des Klimawandels sind also auch in Kampala sichtbar.

Es gibt keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit. Auch nicht in Uganda. Was bedeutet diese Aussage für Dich persönlich?

Für mich ist diese Aussage sehr stark. Und es ist sehr wichtig, dass wir die Bedeutung erkennen, die Frauen oder die verschiedenen Geschlechter bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen. Untersuchungen der Vereinten Nationen zeigen, dass 80 Prozent der vom Klimawandel betroffenen Menschen Frauen und Kinder sind. Das bringt Frauen in einen größeren Konflikt zu den Erfahrungen, die sie machen müssen, um Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu entwickeln. Viele Jahre lang wurden die verschiedenen Kämpfe immer den verschiedenen Geschlechtern zugeschrieben. Und Frauen wurden in den Kämpfen für Menschenrechte, in der Entscheidungsfindung, in der Religion, in der Politik und sogar in der kulturellen Führung an den Rand gedrängt.

Wir sollten anerkennen, dass der Klimawandel als die größte Herausforderung, vor der die Menschheit derzeit steht, die Frauen am meisten betrifft, und wir müssen Frauen in alle Entscheidungsgremien einbeziehen, denn sie können aus ihren Erfahrungen schöpfen und Lösungen anbieten, die uns bei der Bekämpfung der Klimakrise helfen.

Wie werden Frauen, die ihre Stimme für Klimagerechtigkeit erheben, in Uganda von der Öffentlichkeit wahrgenommen, in der Politik und von den Medien?

Da spreche ich aus Erfahrung. Als ich als junge Frau in Uganda  mit meinem Aktivismus auf der Straße begann, bekam ich so viele Fragen von Schaulustigen und Passanten. Sie fragten mich, ob ich meinen Körper verkaufe, ob ich mich prostituiere, nur weil ich am Straßenrand stand und ein Plakat hielt. Viel e Leute fragten mich, warum ich auf der Straße stehe, statt in den Unterricht zu gehen oder etwas zu tun. Dort, wo ich herkomme, in der Region in Uganda, werden Frauen nicht in echte Führungspositionen gebracht.

»Frauen sind auf jeder Ebene unterrepräsentiert.«

Ihnen werden keine wirklichen Führungsaufgaben oder starke Führungsrollen übertragen, weil die Gesellschaft Frauen für schwach hält. Viele glaubten nicht, dass Frauen überhaupt eine Führungsrolle übernehmen könnten. Frauen sind auf jeder Ebene unterrepräsentiert, auch wenn es um die Bewältigung der Klimakrise geht. Viele Leute dachten, dass ich nicht vernünftig mit den Leuten reden kann, dass Frauen keinen Verstand haben oder nicht gebildet sind oder nicht besser informiert sein können als Männer. Aber wir sind eine neue Generation, in der Frauen besser informiert sein können als Männer, vor allem durch die Präsenz des Internets.

Und es hat sich gezeigt, dass Frauen auch gute Führungspersönlichkeiten sein können. Denn ich kann auf meine Erfahrungen bei der Gründung der Klimabewegung, der Jugend-Klimabewegung in Uganda im Jahr 2019 zurückblicken, als ich mit Schulstreiks ganz allein vor meiner Universität begann. Inzwischen haben wir eine Bewegung von über 54.000 Schüler*innen und Studierenden, Jugendlichen und Gemeinden, mit denen wir arbeiten. Das zeigt mir, dass Frauen eine Rolle spielen müssen. Ich glaube, dass die Einbeziehung von Frauen die Krise ziemlich gut bekämpfen kann, da sie die Auswirkungen des Klimawandels aus erster Hand zu spüren bekommen.

Wie wurdest du persönlich wahrgenommen, etwa bei öffentlichen Veranstaltungen oder Mediengesprächen – wurdest du als Klimaaktivistin und Expertin anerkannt?

 Die meisten von uns, vor allem Women of Colour, wurden in den Medien nicht so dargestellt, wie es sein sollte oder wie es wichtig wäre. Aber wir nutzen unsere Plattformen und andere Wege, um die Menschen zu erreichen und unsere Stimme zu erheben, die Öffentlichkeit zu informieren, und hoffentlich werden wir gehört.

südnordfunk: Kommen wir auf die EACOP zu sprechen. Die East African Crude Oil Pipeline soll mehrere Ökosysteme und viele Siedlungen durchqueren. Ein Drittel der Pipeline wird direkt neben dem Viktoriasee verlaufen, dem zweitgrößten Süßwassersee der Welt und dem größten See auf dem gesamten afrikanischen Kontinent – und eine wichtige Wasserquelle für mehr als 40 Millionen Menschen. Darüber hinaus wird die EACOP mehr als 158 Feuchtgebiete allein in Uganda durchqueren. Nach Angaben der ugandischen NGO AFIEGO hat die Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung der EACOP jedoch nur vier dieser Gebiete als betroffene Gebiete anerkannt. Wie wirkt sich die Ölpipeline auf landbasierte Tätigkeiten der Bevölkerung zur Sicherung des Lebensunterhalts aus - und welche Risiken bestehen für die lokalen Wasserreserven und den Zugang der Gemeinden zu sauberem Wasser?

Hilda Nakabuye: Das EACOP-Projekt ist eine Klimabombe, würde ich sagen. Aber es ist auch eine Bombe für unsere Lebensgrundlagen, für unsere Wirtschaft, für unser Wohlergehen. Denn es birgt große Risiken für die Menschen und die Natur in Ostafrika und natürlich für das Weltklima. Ich habe gesehen, wie viele Menschen in den Nachbargemeinden, sogar in meinem Heimatdorf, vertrieben wurden, wie ihr Einkommen und ihre Lebensgrundlagen beeinträchtigt wurden. Es gibt unannehmbare Risiken für die Wasserressourcen, die biologische Vielfalt, die natürlichen Lebensräume, die Waldreservate und die Schimpansen. Und das ist die Zeit, in der unsere Artenvielfalt stark vom Aussterben bedroht ist, also sollten wir für diese Artenvielfalt kämpfen und sie schützen. Wir sollten unsere eigenen Lebensgrundlagen schützen, wir sollten unser Klima schützen, denn die Klimakatastrophen verschlimmern sich, und auf der anderen Seite haben wir fossile Brennstoffunternehmen wie Total Energy, die versuchen, eine wiederum neue Quelle für Kohlenstoffemissionen zu erschließen.

Und das, obwohl die Internationale Energieagentur dazu rät, dass es keine neuen Ölpipelines oder Ölprojekte geben sollte, damit die Menschheit unter 1,5 Grad Celsius Erwärmung bleibt. Aber all das wird von vielen Unternehmen für fossile Brennstoffe unterschätzt. Die Ölpipeline kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Welt von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umsteigen muss. Daher sollten Industrieländer wie Frankreich, wo Total Energy seinen Sitz hat, in saubere und erneuerbare Energien investieren oder ihre Investitionen zurückziehen und gleichzeitig arme Länder wie uns in Uganda  unterstützen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die entwickelten Länder zwingen arme Länder, eine Zukunft in fossilen Brennstoffen zu sehen, die es nicht gibt.

Viele Menschen wurden vertrieben, über 100.000 Menschen aus über 400 Dörfern in Uganda und Tansania. Natürlich ist eine Bedrohung der Lebensgrundlagen eine Bedrohung für unsere Ernährungssicherheit, eine Bedrohung für unser Wirtschaftswachstum. Denn wir sind für unser Überleben auf die Landwirtschaft angewiesen. Alles, was wir tun, hängt von unserem Land ab, auch unsere Tradition, unsere Kultur, unsere Religion und unser Wohlbefinden. Ohne Land kann man in meinem Land nicht überleben. Das EACOP, das den Menschen ihr Land wegnimmt und sie umgesiedelt hat, ist also eine sehr ernste Gefahr für unsere Lebensgrundlagen, für alles, was uns lieb und teuer ist. Denn dann können wir keine Nahrungsmittel anbauen, wir können unsere Familien nicht ernähren, wir können kein Geld für die Bildung aufbringen, wir können kein Geld für die Gesundheitsversorgung aufbringen.

Wie hängen die mit der EACOP einhergehenden Risiken für Wasser und Biodiversität speziell mit Gender zusammen? Werden die Stimmen von Frauen hierzu in den Beratungsprozessen im Kontext der EACOP-Umsetzung berücksichtigt?

Natürlich sind die Frauen die Bewirtschafterinnen unseres Landes. Die meisten Frauen arbeiten auf den Feldern, während die Männer zu Hause bleiben und auf das Geld aus den Ernten warten, die die Frauen einfahren. Wenn ihnen also das Land weggenommen wird, können sie es nicht mehr bestellen. Das bedeutet, dass ihre Familien kein Geld verdienen können. Das bedeutet, dass sie es sich nicht leisten können, dieselben Brunnen oder Wasserquellen wie früher zu nutzen, weil sie jetzt an einen anderen Ort gehen müssen. Im Rahmen des EACOP wurden viele Menschen umgesiedelt. Einige von ihnen wurden in ein Lager umgesiedelt. Dieser Lagerplatz hat zwar Wasser, aber das Wasser reicht nicht für die Menschen. Ihr Land ist begrenzt. Es gibt nicht genug Platz für alle, um ein freies Leben zu führen. Es ist wie ein Gefängnis.

Zu den Auswirkungen auf die biologische Vielfalt: Wir können zum Beispiel keine Feldfrüchte mehr anbauen, wenn wir unser Land verlieren. Dann fehlen Mahlzeiten, es fehlt das Essen auf unseren Tischen. Und da Frauen die Verantwortung für die Versorgung ihrer Familien tragen, bedeutet dies, dass sie am meisten arbeiten oder am weitesten gehen müssen, um Wasser und Nahrung für ihre Familien zu finden. In Uganda wird Bildung zum Teil durch Handel bezahlt, d. h. Kinder oder Schüler*innen müssen Wasser holen oder Lebensmittel für ihre Schulen besorgen, damit sie eine Ausbildung erhalten können. Durch die Auswirkungen des Klimawandels oder wenn sie vertrieben werden oder in eine neue Gemeinde ziehen, wird es für diese Familien noch schwieriger, Lebensmittel oder Wasser aufzutreiben, wenn sie sich nach neuen Schulen umsehen müssen. All das hat also für viele Familien einen Rundum-Effekt.

Wenn wir also zusammenfassend sagen, dass es keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit gibt, was bedeutet diese Aussage dann konkret für EACOP?

Es bleibt ein starkes Statement. Als beispielsweise Familien umgesiedelt wurden, als Männer ihr Land verkaufen mussten, um Platz für die Pipeline zu schaffen, haben viele Männer ihre Familien verlassen, um sich anderswo andere Frauen zu suchen. Die Frauen trugen also die größere Last, für ihre Kinder zu sorgen. Viele Frauen in Uganda besitzen kein Land. Land gehört den Männern, so dass sie die meisten Rechte haben, zu tun, was sie wollen. Einige der Männer, die für den Verkauf ihres Landes an das EACOP-Projekt eine Kompensationszahlung erhalten haben, sind mit dem Geld durchgebrannt und haben ihre Familien ohne irgend etwas zurückgelassen.

Geschlechtergerechtigkeit ist also Klimagerechtigkeit. Wenn wir keine neuen Pipelines hätten und die Menschen nicht von ihrem Land vertrieben würden, dann hätten wir nicht diese Probleme. Das verschärft die sozialen Ungleichheiten in den verschiedenen Gemeinschaften. So müssen Frauen zum Beispiel andere Arbeiten verrichten, um Geld zu verdienen, und dafür gehen sie Tätigkeiten nach, die nicht gut für ihre Gesundheit sind, zum Beispiel in der Prostitution. Dadurch hat die geschlechtsspezifische Gewalt in verschiedenen Gemeinschaften zugenommen. Auch die Ernährungsunsicherheit hat zugenommen, und davon sind vor allem die Frauen betroffen, da sie sich um das Haus kümmern und die meiste Arbeit leisten müssen, um ihre Familien zu ernähren. Klimagerechtigkeit ist also Geschlechtergerechtigkeit.

Wurden im Rahmen des ECOP-Projekts nicht auch einige Arbeitsplätze für Frauen geschaffen? TotalEnergies und andere beteiligte Unternehmen haben versprochen, dass es im Zusammenhang mit dem Bau der Pipeline Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Frauen geben wird.

Ich denke, der Schaden ist größer als die Versprechungen, die sie gemacht haben, denn viele Familien haben ihre Lebensgrundlage verloren, und nur ein kleiner Prozentsatz der Frauen wird eingestellt, um bei Total Energies zu arbeiten: Und das sind nur befristete Jobs. Jobs, die nicht lange dauern, und schlecht bezahlte Jobs, bei denen die Frauen sich nicht einmal um ihre Familien kümmern können. Die meisten der Frauen, die durch die Pipeline vertrieben wurden, haben ein sehr niedriges formales Bildungsniveau, so dass sie nicht eingestellt werden können, um bei Total Energies zu arbeiten, selbst wenn sie wollten. Viele von ihnen fragen immer noch nach den ihnen versprochenen Arbeitsplätzen. Doch die Arbeitsplätze werden an Expert*innen aus anderen Ländern vergeben. Was nicht fair ist.

Nur fünf bis 15 Prozent der Haushalte in Uganda haben Zugang zu sauberer Kochenergie. Es gibt also auf jeden Fall einen Energiebedarf im Land, deshalb will die Regierung das EACOP-Projekt fördern. Was sind deine Vorschläge zum Thema saubere und gerechte Energie?

Für mich ist saubere und gerechte Energie etwas ganz anderes als das, was wir in meinem Land erleben. Für mich bedeutet es, dass Menschen, die weniger privilegiert sind, Zugang zu sauberer Energie haben, zum Beispiel zu Solaranlagen. Der Zugang muss gerecht auf die verschiedenen Menschen in der Gemeinschaft verteilt werden, wobei diejenigen, die am stärksten zu berücksichtigen sind, die von der Klimakrise und von ungerechten Projekten betroffen sind. In den Camps gibt es keine saubere und gerechte Energie. Die Umgesiedelten bekommen Strom, an den sie nicht gewöhnt sind, und der sehr teuer ist. Wer umgesiedelt wurde, muss mit der Landwirtschaft bei Null beginnen und kann sich die Stromrechnungen nicht leisten. Es ist also nicht fair. Diese betroffenen Gemeinden müssen in den Mittelpunkt gestellt werden, z. B. bei Energieversammlungen oder politischen Maßnahmen oder Gemeindeprojekten, um ihre Erfahrungen zu teilen und ihre Meinungen zu hören. Sie müssen ein Mitspracherecht bei der Ausarbeitung haben.

Eine Frage zur Solidarität zwischen Deutschland und Uganda: Du warst in Deutschland und stehst in Kontakt mit deutschen Klimaaktivist*innen. Wo denkst du, dass die Klimakämpfe zwischen Deutschland und Uganda sich tatsächlich verbinden und gegenseitig unterstützen können?

Ich war im Jahr 2022 in Deutschland, ja. Ich war zur Berliner Energiewende eingeladen, aber bevor ich meine Rede hielt, besuchte ich eine kleine Gemeinde namens Lützerath, die zu den Gemeinden gehört, die geräumt wurden, um Platz für die Kohleminen zu schaffen, die in Deutschland Tag und Nacht expandieren. Als ich diese Gemeinde besuchte, konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten, denn es ist die gleiche Erfahrung, die meine eigene Gemeinde mit der ostafrikanischen Erdölpipeline macht.

Der Kampf für Klimagerechtigkeit ist also ein globaler Kampf.

So habe ich die Geschichten von dort mit den Kämpfen in meiner Heimat in Verbindung gebracht, als ich die Kampagnen, die Demonstrationen, die Aktionen von Aktivist*innen und Künstler*innen gesehen habe. Und die Straflosigkeit, all das ist nicht fair. Das hat etwas mit dem zu tun, was in meinem Land passiert. Der Kampf für Klimagerechtigkeit ist also ein globaler Kampf. Mir ist klar, dass er nicht nur in den Ländern stattfindet, die an vorderster Front des Klimawandels stehen. Sondern auch in anderen Ländern, vor allem in denen, wo Menschen gegen fossile Brennstoffe kämpfen.

Deutschland muss seine Kohle-Förderung reduzieren. Uganda muss seine Ölförderung einstellen, das Öl, das East African Crude Oil Pipeline-Projekt. Wenn wir diese Geschichten zusammenbringen, haben sie alle etwas mit fossilen Brennstoffen zu tun. Deshalb stehen wir als Klimaaktivist*innen auf und sprechen uns gegen di ese Ungerechtigkeit aus, die sich nicht nur auf unsere Gemeinden, sondern auch auf unser Leben, unseren Lebensunterhalt und die ganze Welt auswirkt, denn die Emissionen aus diesem Projekt werden nicht nur die Menschen in den Gemeinden betreffen, sondern die ganze Welt.

Zurück zur Geschlechterperspektive: Die deutsche Außenministerin hat ihr Konzept einer feministischen Außenpolitik vorgestellt. Was wären wichtige Meilensteine oder Elemente für eine feministische Klimapolitik - schließlich ist Klimapolitik auch Außenpolitik -, insbesondere im Hinblick auf die Weltklimakonferenz - also die die COP 29 - in Baku und Aserbaidschan?

Nun, Ich denke, das ist die Antwort auf die Klimakrise, auf die wir gewartet haben. Wenn man sich all die Vertragsstaatenkonferenzen ansieht, die in den letzten 28 Jahren stattgefunden haben, so gab es nur eine begrenzte Einbeziehung von Frauen, es gab weniger Frauen in den Ausschüssen. Aber wir brauchen Frauen in diesen Ausschüssen und in Entscheidungsgremien, weil sie auf ihre Erfahrungen zurückgreifen können, um Lösungen für die Klimakrise anzubieten. Weil sie am meisten von der Klimakrise betroffen sind.

Frauen müssen einen Platz an den Verhandlungstischen einnehmen, Frauen müssen konsultiert werden, ihre Ansichten müssen berücksichtigt werden, denn sie vertreten nicht nur sich selbst oder die Unternehmen oder Organisationen, aus denen sie kommen. Sie vertreten ebenso die Gemeinden und Länder, sie vertreten vielfältige Perspektiven. Wenn ich über eine feministische Außenpolitik nachdenke, dann denke ich an die Einbeziehung von Frauen, die Entscheidungen treffen, die den Wandel vorantreiben, an Frauen, die Projekte vorantreiben, und Gemeinden unterstützen, an Frauen, die in verschiedenen Bereichen tätig sind, an  indigene Frauen, um die Einbeziehung von women of colour mit unterschiedlichem Hintergrund.

Das Interview führten Selina Matthey und Martina Backes vom südnordfunk - ermöglicht wurde die Veröffentlichung im Rahmen des SEZ geförderten Projektes »Klimakrise in der Pipeline!« 2024.

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