3 Personen aus dem Film »The Land Between«
Yacou (rechts) und seine Freunde in Gourougou | Filmstill aus »The Land Between«

»Auf der Suche nach dem besseren Leben«

Interview mit dem Dokumentarfilmer David Fedele

An der Grenze zwischen Marokko und der spanischen Enklave Melilla: Auf Überwachungskameras ist zu sehen, wie Menschen den mit Stacheldraht gesäumten Zaun überwinden wollen, um nach Europa zu kommen. Von mehr als 2.000 Geflüchteten seit Beginn des Jahres ist die Rede. Der australische Regisseur David Fedele versucht mit seinem Film »The Land Between«, diesen Menschen ein Gesicht zu geben. Gedreht hat er ihn in den Bergen von Gourougou bei Melilla, wo tausende Flüchtlinge auf den richtigen Moment warten, den Zaun zu überwinden und in ein spanisches Auffanglager zu gelangen. Viele haben es schon mehrmals versucht, Wunden und Narben an Armen und Beinen zeugen davon.

So auch Yacou aus Mali, eine der Hauptpersonen des Films. Er ist bereits seit mehr als zwei Jahren in Gourougou und wartet, ermutigt durch die, die es schon geschafft haben, auf seine dritte Chance, nach Europa zu kommen, wo für ihn seiner Meinung nach alles besser wird. Fedele dokumentiert sein Camp, das der Malier, zeigt provisorische Schlafplätze, die mit Gestellen aus Ästen, Plastiktüten und Pappkartons geschützt sind und die immer wieder von Polizei und Militär zerstört werden. Viele Geflüchtete sind Opfer von Übergriffen seitens der Sicherheitskräfte geworden, wurden teilweise brutal geschlagen, einige sogar zu Tode.

Fedele filmt die malischen Migrierten bei ihren täglichen Aktivitäten, beim Kochen und Essen, Flicken der Kleidung und Schlafplätze, beim Fußballspielen oder Ausharren, bei der Vorbereitung auf die richtige Nacht für den nächsten Versuch, den Zaun zu überqueren. Dabei haben die Menschen die Gelegenheit, ihre Geschichte zu erzählen: Wo sie herkommen, was sie zur Migration bewegte, welche Stationen sie bereits durchlaufen haben und was sie sich von Europa erhoffen.

Die unter anderem auf dem International Environmental Film Festival in Paris preisgekrönte Dokumentation wurde vom Regisseur eigenständig finanziert und produziert. Sie wurde ohne großes Equipment gefilmt, weshalb der Eindruck entsteht, nah am Geschehen dran zu sein, was durch ungeschönte Bilder und Einstellungen noch verdeutlicht wird. Der Film lebt ausschließlich von den Äußerungen der Migrant*innen, von ihren Geschichten und Meinungen. Genau das zeichnet ihn aus und unterscheidet ihn von anderen Filmen zum Thema.

Das Interview führte Winfried Rust

08.09.2014
Veröffentlicht im iz3w-Heft 344

iz3w: Woher kam die Idee, einen Film über MigrantInnen im marokkanischen Gourougou zu drehen?

 

David Fedele: Ich bin in einer Einwandererfamilie aufgewachsen, da meine Großeltern während des Zweiten Weltkrieges von Italien nach Australien auswanderten. Als ich nach Europa kam, habe ich mich zunehmend für die Geschichten von MigrantInnen interessiert, hauptsächlich jener vom afrikanischen Kontinent. Ich wollte sie dokumentieren und dachte, es würde stärker und realer wirken, die Situation der MigrantInnen auf ihrem Weg zu filmen, anstatt ihre Geschichten aus der Retrospektive aufzuzeichnen. Bei der Recherche nach den Hauptmigrationsrouten von Afrika nach Europa stieß ich auf Berichte aus Gourougou. Daher bin ich nach Marokko gereist, mit der Intention, die Berge zu erkunden und zu versuchen, einen Film zu machen. Aber ich hatte keine Vorstellung davon, wie der Film werden würde.

Er behandelt ein politisches Thema, aber ich habe versucht, auch menschliche Geschichten zu erzählen, den Alltag der MigrantInnen zu zeigen, die so würdevoll wie möglich unter diesen extremen und hoffnungslosen Bedingungen leben. Ich wollte ihnen die Möglichkeit geben, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Für mich geht es in dem Film nicht nur um Marokko und Spanien, sondern um eine universelle Geschichte von Migration, die überall auf der Welt geschehen könnte: Um Motive, die Menschen dazu veranlassen, ihre Familien und FreundInnen zu verlassen, ihr Leben zu riskieren auf der Suche nach einem besseren Leben.

 

Wie haben Sie Zugang zu dem Lager und den Menschen dort bekommen?

 

Nach ein paar Tagen in Marokko habe ich den jungen marokkanischen Filmemacher Reda Afirah kennen gelernt, der sich ebenfalls für die Thematik interessierte. Er arbeitete mit mir als Assistent und Übersetzer. Ohne ihn hätte ich den Film nicht machen können. Ich spreche kein Französisch, also half er mir sehr bei der Sprache und der Kommunikation mit den MigrantInnen. Wir hatten am Anfang aber keine Kontakte, daher gingen wir im wahrsten Sinne des Wortes in die Berge und suchten nach MigrantInnen.

Die MigrantInnen organisieren sich in Gruppen, die nach unterschiedlichen Nationalitäten und Sprachgruppen separiert sind. Wir haben viel Zeit damit verbracht, uns mit Menschen aller Gruppen zu unterhalten, ihnen zuzuhören, gemeinsam zu essen, Fußball zu spielen... So konnten wir sie als Menschen kennen lernen und verbrachten nicht nur Zeit damit, zu filmen. Wir haben eine eher persönliche Beziehung zu den Gefilmten aufgebaut – ich hoffe, das spiegelt sich im Film wider. Wir hatten großes Glück, Yacou aus der malischen Gemeinschaft zu treffen, eine der Hauptfiguren des Films. Er war seit zwei Jahren in Gourougou und ein respektierter Mann innerhalb der Community. Wir erklärten ihm unser Vorhaben. Er sagte, er würde die Anderen fragen, ob sie uns erlauben würden zu filmen, wir sollten in ein paar Tagen wieder kommen. Glücklicherweise waren sie einverstanden.

David Fedele tourt derzeit weltweit mit seinem Film und wird im November auf dem »Augen Blicke Afrika« Filmfestival in Hamburg zu Gast sein. Der Film ist auf DVD erhältlich (www.thelandbetweenfilm.com). Das Interview wurde von Katharina Forster per Email geführt und aus dem Englischen übersetzt.

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 344 Heft bestellen
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