betender Arbeiter vor einem LKW mit Erdgut aus dem Bauxitabbau
Gebetspause. Bauxitabbau in Sangarédi, Guinea | Foto: Johannes Knierzinger

Alu für die Welt

In Guinea weichen ganze Dörfer dem Bauxitabbau

Der Bauxitbergbau boomt in Guinea. Weltweit wird das Gestein für die Herstellung von Aluminium nachgefragt. Die lokale Bevölkerung hat davon wenig: Eine lokale Weiter­verarbeitung im Land selbst liegt nicht im Interesse der importierenden Länder des Nordens. Ganze Siedlungen müssen unter dem roten Staub des Tagebaus weichen. Auch die deutsche Bundes­regierung ist in die damit verbundenen Vertreibungen verwickelt.

von Kathrin Hartmann und Johannes Knierzinger

15.10.2022
Veröffentlicht im iz3w-Heft 393
Teil des Dossiers Rohstoffe

Rund fünf Stunden Autofahrt von der guineischen Hauptstadt Conakry entfernt lag bis vor kurzem ein idyllisch anmutendes Dorf namens Hamdallaye. Bereits bei einem Besuch im Jahr 2014 war bekannt, dass diese wohl jahrhundertealte Siedlung mit ihren Lehmhütten und Schatten spendenden Obstbäumen einer nahe gelegenen Bauxitmine weichen sollte. Die Bewohner*innen litten bereits jahrzehntelang unter Problemen, die fast alle Dörfer am Rande der Mine betrafen: Tausende Menschen haben seit Beginn des Bauxitbergbaus in den 1970ern durch Sprengungen und Umsiedlungen den Zugang zu Trinkwasser verloren und kämpfen seitdem mit den Auswirkungen des Tagebaus auf Flora und Fauna.

Die Sprengungen des Tagebaus senken meist den Grundwasserspiegel und vertreiben das Wild. Der aufgewirbelte rote Staub verhindert nicht nur die Photosynthese von Pflanzen und verunmöglicht damit den Ackerbau, sondern führt auch zu einer Häufung von Augen- und Lungenleiden. In einigen der Dörfer, die einer der Autor*innen damals ebenfalls besuchte, hatten fast alle Bewohner*innen permanent gereizte, gerötete Augen. Nun sollte auch Hamdallaye endgültig der Mine weichen. Der Dorfälteste, unter freiem Himmel an seiner alten manuellen Nähmaschine sitzend, erklärte damals, dass das Dorf wie paralysiert war. Die Entscheidung wurde auf höherer Ebene getroffen, man konnte also nur warten und hoffen. Einige Jahre später schien sich doch noch ein möglicher Ausweg zu ergeben: Gemeinsam mit zwölf anderen Dörfern reichte Hamdallaye 2019 eine Klage gegen Menschenrechtsverletzungen bei der Weltbank ein.

Extraktivistischer Konsens

Die Betreiberin der Bauxitmine, die Compagnie des Bauxites de Guinée (CBG), verschifft den Bauxit vor allem nach Europa und in die USA, wo das Erz zu Aluminium verarbeitet und daraufhin in Form von Dosen, Folien, Fenstern und Autoteilen in die ganze Welt verschickt wird. Guinea ist eines der wichtigsten Exportländer von Bauxit und seine Bevölkerung gehört zu den ärmsten der Welt.

Die CBG befindet sich zu 49 Prozent im Besitz der guineischen Regierung. Die andere Hälfte gehört Rio Tinto (Australien/UK), Alcoa (USA) und Dadco (Schweiz). Letztere betreibt eine Bauxitraffinerie im deutschen Stade, die mit guineischem Bauxit versorgt wird. Entsprechend den Beteiligungen an der CBG wurde auch das Erweiterungsprojekt nicht nur von der Weltbank, sondern auch von der US-amerikanischen Development Finance Corporation finanziert und mit einer ungebundenen Finanzkreditgarantie (UFK) der deutschen Regierung abgesichert.

Der aufgewirbelte rote Staub verhindert den Ackerbau

Außerhalb Guineas hat man von den hier geschilderten Problemen bisher wenig gehört, nicht zuletzt, weil auch viele Guineer*innen vom Bergbau profitieren. Abgesehen von den wenigen Arbeiter*innenfamilien gilt dies vor allem für die Regierung, die vom Rohstoffexport abhängig ist. Auch die übrige Bevölkerung Guineas sollte eigentlich von den volleren Staatskassen profitieren – und gibt diesbezüglich auch die Hoffnung nicht auf. Bisher ist jedoch das Gegenteil geschehen: Anstelle von Bildung, Gesundheit und Mobilität hat Guineas Extraktivismus bisher fast ausschließlich die Korruption befördert.

Zahnloses Verfahren

Die Landbevölkerung in der Umgebung der Minen ist die einzige Gruppe, die sich schon immer klar gegen den Bergbau ausgesprochen hat. In der Regel kennen die Bäuerinnen und Bauern in der Umgebung der Minen aber weder ihre Rechte, noch verfügen sie über die notwendigen Kenntnisse, um die nötigen schriftlichen Beschwerden einzureichen. Aber auch im Fall der Beschwerde der 13 Dörfer ist es sehr unwahrscheinlich, dass es zu nachhaltigen Verbesserungen kommt. Das Streitbeilegungsverfahren der Weltbank ist zahnlos im Vergleich zu anderen internationalen Streitbeilegungsverfahren wie etwa jenem der Welthandelsorganisation (WTO).

Die CBG müsste nicht einmal die Teilnahme akzeptieren. Sollten die Beschwerden der Bevölkerung in diesem Verfahren bestätigt werden, sind keine Sanktionen gegen die beteiligten Unternehmen vorgesehen, sondern lediglich eine stärkere Überwachung durch die Weltbank. Außerdem kommt das Verfahren nur sehr langsam voran. Nach der Veröffentlichung eines Sachstandsberichts wenige Monate nach der Einreichung der Klage im Februar 2019 ist wenig passiert. Der Website des CAO ist zu entnehmen, dass von den insgesamt neun zu absolvierenden Phasen bis Januar 2022 erst drei abgeschlossen wurden. Von deutscher Seite wird eine Rücknahme der Investitionsgarantien für möglich gehalten, dies sei aber laut einem E-Mail-Verkehr der Autorin mit dem Bundesministerium für Wirtschaft 2019 nur als »Ultima Ratio zu verstehen, da dies die Insolvenz und Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers zur Folge haben könnte und somit keine Lösung für eventuelle nachteilige Auswirkungen des Projekts mehr erreicht werden könnte«.

Die Verstrickung der Bundesregierung in diese Menschenrechtsverletzungen ist umso unverständlicher, als den Investitionsgarantien eine umfassende Evaluierung nach Weltbankkriterien mit »kritischer Begleitung der Mandataren des Bundes«, so die Kreditversicherungsgruppe Euler Hermes, vorausging. In diesem Rahmen fanden mehrere Treffen mit dem Management sowie ein »Standortbesuch« statt. Die Bundesregierung ist sich nach eigenen Angaben bewusst, dass die CBG derzeit nicht die »Performance Standards on Environmental and Social Sustainability« der Weltbank erfüllt. Die Investitionsgarantien sollen jedoch nicht nur die negativen Auswirkungen der neuen Minen verringern, sondern auch auf eine Verbesserung der bestehenden Minen hinwirken. So werde etwa gegenwärtig untersucht, ob »für bestimmte frühere Umsiedlungen und Enteignungen zusätzliche Kompensationsmaßnahmen durch CBG zu leisten sind, um einen Lebensstandard der Betroffenen mindestens auf dem Niveau vor den Umsiedlungen und Enteignungen sicherzustellen«, wie das BMWI 2019 der Autorin auf E-Mail-Anfrage mitteilte.

Weiter­verarbeitung nicht erwünscht

Diese Selbstdarstellung als ‚Teil der Lösung‘ ist aus Konflikten zwischen zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteur*innen hinlänglich bekannt. Sie wird jedoch noch fadenscheiniger, wenn man sich die wirtschaftspolitischen Zusammenhänge genauer ansieht. Wenige Jahre vor dem besagten Erweiterungsprojekt, bei dem lediglich mehr Erz exportiert werden soll, wurde ein Projekt zur lokalen Weiterarbeitung von Bauxit beschlossen, allerdings ohne Beteiligung von Dadco und der deutschen Regierung. Dieses Projekt wurde jedoch zugunsten des reinen Erweiterungsprojekts ohne Weiterverarbeitung wieder aufgegeben.

Die deutsche Industrie sichert sich Profite und Arbeits­plätze

Die Tatsache, dass die deutsche Regierung eine ausschließliche Erweiterung der Mine unterstützt, ein Weiterverarbeitungsprojekt jedoch nicht, hat einen sehr handfesten Grund: Die Raffinerie in Stade, die mit guineischem Bauxit beliefert wird. Voraussetzung für die deutsche Übernahme der UFK-Garantie ist ein langfristiger Liefervertrag mit der Minengesellschaft. Denn wenn Guinea selbst weiterverarbeiten würde, was würde dann mit der Raffinerie in Stade geschehen und wie sicher wäre dann noch die Versorgung der deutschen Autohersteller? Und hat Europa nicht ohnehin schon genug derartige Probleme mit anderen Staaten? Die deutsche Industrie, die fast 100 Prozent ihrer metallischen Erze aus dem Ausland importiert, wird also weiterhin mit Bauxit versorgt und sichert somit Profite und Arbeitsplätze.

Von den dutzenden guineischen Weiterverarbeitungsprojekten, die in den letzten Jahrzehnten von den Industriestaaten verhindert wurden, hat es bisher wohl kein einziges in die europäischen Medien geschafft. Damit wird der irreführende Eindruck erzeugt, die Guineer*innen würden ihre Rohstoffe ganz freiwillig verscherbeln. Beschwerdemechanismen wie jener der Weltbank werden an dieser völlig verzerrten Wahrnehmung in Europa nichts ändern, geht es doch hier nicht nur um Medienkonzentration und mediale Diskurse, sondern gewissermaßen um das materielle Mark der westlichen Demokratien: Eisen, Kupfer, Aluminium, Erdöl, Erdgas und so weiter. Eine Mediation an einem runden Tisch und drei kritische Blogeinträge reichen hier sicher nicht. Es braucht – einmal mehr – eine sozialökologische Transformation. Für Hamdallaye und seine Bewohner*innen ist es leider schon zu spät. Das Dorf wurde 2020 dem Erdboden gleichgemacht. Die Lebensbedingungen in dem neuen Dorf, das auf einer Abraumhalde des Bergwerks errichtet wurde, sind laut Medienberichten erschreckend schlecht.

Johannes Knierzinger ist Senior Lecturer am Institut für Internationale Entwicklung der Universtität Wien und forscht seit etwa zehn Jahren zu den sozialen und politökonomischen Konsequenzen von Bergbau in Westafrika. Kathrin Hartmann ist Journalistin und Autorin in München. In ihren Büchern »Ende der Märchenstunde«, »Aus kontrolliertem Raubbau« und »Die grüne Lüge« beschäftigt sie sich kritisch mit Greenwashing und Grünem Wachstum.

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